Werder war immer dabei

von Redaktion

Langjähriger Manager und UN-Sportbotschafter starb mit 77

Ein Leben im Dienst der Werder-Raute: Willi Lemke gehörte zu den großen Managern des Bundesliga-Betriebs. © dpa

Bremen – Die Nachricht kam völlig überraschend: Willi Lemke ist tot! Nicht nur die Familie ist geschockt, sondern auch der SV Werder Bremen, das Land Bremen sowie viele Menschen. Denn der 77-Jährige war eine Persönlichkeit, die Spuren hinterließ. Wie die Familie am Dienstag mitteilte, ist Willi Lemke am Montag „für uns alle plötzlich und mitten aus dem Leben an einer Hirnblutung verstorben“.

Bei Werder herrschte Fassungslosigkeit. „Willi war doch einer der Fittesten. Ich verstehe das nicht“, sagte Mirko Votava. „Das ist unfassbar“, meinte auch sein Ehrenspielführer-Kollege Torsten Frings. Und Klaus Filbry, Vorsitzender der Geschäftsführung, ergänzte: „Sein überraschender und viel zu früher Tod lässt den SV Werder für eine Zeit stillstehen. Willi Lemke gehört zweifellos zu den größten Persönlichkeiten in der Geschichte des deutschen Fußballs.“

Es war Tradition: Willi Lemke lud Journalisten im Winter in ein Bremer Lokal ein, um seine persönliche Jahrespressekonferenz abzuhalten. Dabei ging es vor allem um seine Arbeit als UN-Sonderbeauftragter für Sport. Er wollte auf die Probleme in der Welt aufmerksam machen – und die Gäste hingen an seinen Lippen, wenn Lemke von seinen Begegnungen berichtete. Da waren gehandicapte Afrikaner, die mit nur einem Bein an Krücken Fußball spielten und trotzdem einen Riesenspaß hatten. Oder da war die junge Muslimin aus Ägypten, die ihrer siegreichen Gegnerin aus Israel einen dicken Kuss gab. „Der Sport kann Brücken bauen“, sagte Lemke dann und bezeichnete die „viel zu vielen internationalen Konflikte als furchtbare Geißel der Menschheit“. Deshalb war er unterwegs, um zu vermitteln. Zwischen Nord- und Südkoreanern. Oder Israelis und Palästinensern. „Ich glaube an die Kraft des Sports“, betonte Lemke stets und wünschte sich: „Hört auf zu schießen, kommt in den Dialog.“

Von 2008 bis 2016 reiste Willi Lemke im Dienst der Vereinten Nationen um die Welt – und Werder Bremen war irgendwie immer dabei: als Kappe, als Schal, im Herzen. Lemke war stets ein grün-weißer Botschafter. Natürlich ging es irgendwann bei seinen persönlichen Jahrespressekonferenzen auch um Werder, spätestens, wenn der Grünkohl auf dem Tisch stand. Und dann wurde es sehr emotional. Denn Lemke lebte Werder – und das schon seit Jahrzehnten. 1981 wechselte der langjährige Geschäftsführer des SPD-Landesverbandes Bremen von der Politik in den Sport und wurde Manager des SV Werder.

Mit Trainer Otto Rehhagel bildete er bis 1995 ein kongeniales Duo, das mit dem SVW nicht nur die Bundesliga, sondern auch Europa aufmischte. Zwei Meisterschaften, drei Pokalsiege und als Krönung der Sieg im Europapokal der Pokalsieger lautete die Bilanz. Rehhagel nannte Lemke immer seinen „Presse-Abwehrchef“, weil dieser ihm oft die ungeliebte Öffentlichkeitsarbeit abnahm. Aber der Manager machte noch viel mehr, brachte das Merchandising-Geschäft in Schwung, erfand die Logen für die finanzkräftigen Fans und richtete Vorverkaufsstellen im Umland ein. Auch bei der Akquise von Sponsoren war Lemke kreativ. Er verkaufte mal ein ganzes Spiel an den Automobilhersteller Citroen.

Willi Lemke wurde zu einer schillernden Figur im deutschen Fußball, was auch an seiner Dauerfehde mit Uli Hoeneß vom FC Bayern lag. Beide überschritten dabei auch Grenzen (“Totengräber“ vs „Volksverhetzer“), ehe sie in gesetzterem Alter zueinanderfanden. Hoeneß nahm Lemkes Einladung zu dessen 70. Geburtstag an. „Die Nachricht hat mich traurig gemacht“, sagte Hoeneß nun: „Willi Lemke war ein Mann der Kontroverse: Jeder weiß, dass wir oft diskutiert und gestritten haben. Aber er war auch ein Mann des Dialogs.“
BJÖRN KNIPS

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