Der Geheimtipp aus der Datenbank: Samuel Essende, neu beim FC Augsburg, erzielte in der portugiesischen Liga 15 Tore. © IMAGO
Augsburg – 13 Jahre in der Bundesliga hat der FC Augsburg nun schon hinter sich. Zwölfmal feierte er es, auch in der jeweils kommenden Saison der höchsten Klasse anzugehören, die Mannschaft ging mit einem Freuden-Banner mit Wortspielen rund um die Anzahl der Jahre (etwa “La Decima“) auf Stadion-Ehrenrunde – doch im vergangenen Jahr hat der FCA darauf verzichtet. „Das war ausgelutscht“, erklärt Michael Ströll, der Geschäftsführer und starke Mann beim schwäbischen Club. Sich immer nur mit dem Klassenerhalt zufrieden zu geben, passt nicht mehr zum Anspruch, deswegen sagt Ströll, dass der Leitsatz des früheren Sport-Chefs Stefan Reuter (“Wir müssen immer drei Vereine finden, die hinter uns landen“) seine Gültigkeit verloren habe. Eine konkrete Zielsetzung fürs 14. Jahr nennt Ströll nicht. Nur: „So ambitioniert wie möglich sein.“ Grundsätzlich stellt er sich vor, „dass wir immer wieder mal unter die Top Zehn vorstoßen“.
Elfter wurde der FCA in der vergangenen Saison. Das hätte er zu deren Beginn unterschrieben, am Ende war er unzufrieden. Denn die abschließenden fünf Spiele wurden verloren (Frankfurt, Bremen, Dortmund, Stuttgart, Leverkusen), man kassierte dabei 14 Gegentreffer, der schon greifbare internationale Startplatz ging verloren.
Bei den Fans scheint vom ungenügenden Finale nichts hängengeblieben zu sein. Der FCA verzeichnete einen Zuwachs beim Absatz von Dauerkarten (jetzt 17000), das kürzlich aufgelegte Ausweichtrikot, in Erinnerung an die Vergangenheit der Stadt („Augusta Vindelicum“, gegründet 15 vor Christi Geburt) als „Römertrikot“ bezeichnet, war nach wenigen Tagen vergriffen, sodass Ausrüster Mizuno nachproduzieren musste. „Die Gesamtstimmungslage könnte nicht positiver sein“, sagt Michael Ströll, „der FCA ist wieder sexy.“
Dabei verliert der Club einige seiner Leistungsträger. Topscorer Ermedin Demirovic wechselte zum VfB Stuttgart – ein Transfer, gegen den der FCA sich nicht wehrte, weil er für einen vor zwei Jahren ablösefrei geholten Ersatzspieler aus Freiburg über 20 Millionen Euro bekommt. Mit Felix Uduokhai und dem Schweizer Nationalspieler Ruben Vargas haben zwei weitere Stammkräfte den Wunsch hinterlegt, sich zu verändern. „Wir sind vorbereitet“, versichert Sportdirektor Marinjo Jurendic, „wir haben schon im Vorgriff Spieler verpflichtet“. Deswegen sind Innenverteidiger Keven Schlotterbeck (Bochum), der französische Stürmer Steve Mounié, der sich mit Stade Brest für die Champions League qualifizierte, und Samuel Essende, der in der portugiesischen Liga 15 Tore schoss, angeworben worden. Beim Kongolesen Essende sollte sich zeigen, ob das neue Scouting des FCA (“Live, auf Video und mit Daten, die die Ausschlusskriterien definieren“, so Jurendic) greift.
Der Däne Jess Thorup, der nach dem sechsten Spieltag Enrico Maaßen als FCA-Trainer abgelöst hatte, ist in Augsburg sehr beliebt, vor allem an ihm macht sich die Hoffnung fest, der Club könne eine größere Rolle als bisher in der Bundesliga spielen. Doch entwickelt der Verein auch Sexyness über die eigene Bubble hinaus? Wenn in Fan-Umfragen nach der Traumbesetzung der Bundesliga gefragt wird, ist der FCA nie dabei, ein Spiel Mainz – Augsburg gilt als Code für die (internationale) Belanglosigkeit der Bundesliga, und in 13 Jahren durfte der FCA noch nie ein Samstag-18.30-Uhr-Spiel bestreiten.
„Wir haben das Image der grauen Maus“, weiß Michael Ströll, „teils auch zurecht, doch wir wagen uns aus der Deckung.“ Der Bundesliga-Spielplan könnte eine Fügung sein. Drei der ersten vier Spiele sind zuhause (Bremen, St. Pauli, Mainz), die Auswärtsaufgabe heißt Heidenheim. Doch den Blick auf die Liga meidet der FCA, er muss erst die Pokalaufgabe (Sonntag, 13 Uhr) beim Regionalligisten Viktoria Berlin lösen. „In den vergangenen fünf Jahren sind wir nie weiter als in die zweite Runde gekommen“, erinnert Marinko Jurendic, 2023/24 begann mit der Pokalschmach in Unterhaching (0:2). Schaden macht demütig – auch in Zeiten des Aufbruchs.
GÜNTER KLEIN