Bei Olympia absolvierten Reichert & Co. neun Spiele in sechs Tagen © Gray/AFP
Zuerst kam die Medaillen, dann das Tattoo: Marie Reichert wurde in Paris Olympiasiegerin im 3×3-Basketball © Instagram/Reichert
Olympiasiegerin – so ganz kann Basketballspielerin Marie Reichert (23) das immer noch nicht fassen. Was die 3×3-Heldin mit etwas Abstand über die Spiele in Paris denkt und wie es kommende Saison für sie in Italien weitergeht, hat sie im Gespräch mit unserer Zeitung verraten.
Maie, was war zuerst da, die Goldmedaille oder die Idee, sich ein Tattoo mit den fünf olympischen Ringen stechen zu lassen?
Die Idee mit dem Tattoo war schon vorher geboren. Bereits nach der erfolgreichen Qualifikation haben wir im Team gesagt, dass wir uns alle die Ringe stechen lassen wollen. Mit der Goldmedaille war die Motivation jetzt noch größer, sich das olympische Symbol auf dem Körper verewigen zu lassen. Es war gar nicht so schmerzhaft. Es war auch nicht mein erstes Tattoo. Ich hatte schon ein paar kleine, aber nichts Auffälliges.
Was schauen Sie sich zurzeit mehr an, Medaille oder das Tattoo am Oberarm?
(lacht) Noch die Medaille. Ich habe bei meinen Eltern in der Wohnung noch keinen richtigen Platz dafür gefunden. Das ist alles in der Planung. Auch das Nationaltrikot, das meine drei Teamkameradinnen signiert haben, wird einen besonderen Platz bekommen.
Wie blicken Sie mit etwas Abstand auf die Olympischen Spiele?
Es fühlt sich immer noch surreal an. Ich wiederhole mich – aber so richtig fassen kann ich das Ganze nach wie vor nicht. Es war mein größter Traum, zu den Olympischen Spielen zu fahren – aber ich habe nie damit gerechnet, Gold zu holen. Die Zeit in Paris war wie ein Märchen für mich. Auch, weil meine Familie dort war: Meine Eltern, mein Bruder, der in den USA lebt, und ich haben zum ersten Mal seit fast zweieinhalb Jahren Zeit zusammen verbracht.
Haben Sie inzwischen alle Eindrücke verarbeitet und alle Glückwunsch-Nachrichten beantwortet?
Größtenteils schon. Mit den Menschen aus meinem engeren Umfeld hatte ich Kontakt. Über Social Media und Whatsapp kommen jedoch immer noch Anfragen rein – da habe ich aktuell nicht ganz den Überblick. Und die Eindrücke? Gefühlt gab es mit Beginn der Eröffnungsfeier jeden Tag einen neuen Höhepunkt. Ich muss jedes Mal grinsen, wenn ich daran denke, dass Dirk Nowitzki am Spielfeldrand saß und uns alle umarmt hab. Ich hatte das Gefühl, dass er von unseren Spielen absolut begeistert war und auch stolz war. Kurzum: Es ist einfach so viel passiert, was ich jetzt emotional verarbeiten muss. Deshalb tut es ganz gut, noch eineinhalb Wochen zu Hause zu sein, alles mal sacken zu lassen, runterzukommen, ehe es dann nach Italien geht.
Was hat sich mit dem Olympiasieg für Sie persönlich geändert?
Ich werde jetzt sogar in Zivil erkannt. Das hat mich schon sehr überrascht. Als wir als Mannschaft in Hannover abends weggegangen sind, wurden wir angesprochen. Und in Kassel sind nun auch Menschen in Cafes und Restaurant auf mich zugekommen und haben gesagt: „Hey Glückwunsch. Wir haben alles verfolgt.“ Es ist so schön, dass den Erfolg hier in Kassel so viele Leute mitbekommen haben und dass unser Auftritt so viel Aufmerksamkeit erweckt hat.
Was müssen Sie im Bereich Management verbessern?
Ich habe eine Spieleragentin, mit der ich alle Verträge bespreche. Mit ihr bin ich nun auch in Kontakt, was Sponsoring und Zusammenarbeit mit Unternehmen betreffen.
Standen Sie schon wieder fürs Training auf dem Feld?
(schmunzelt) Sport habe ich zum letzten Mal an unserem Finaltag in Paris betrieben. Seitdem war ich zwar viel unterwegs, aber Basketball oder anderes habe ich nicht getan. Ich merke auch immer noch, dass ich von den zwei intensiven Wochen ziemlich geschafft bin. Die Knochen tun weh. Die Belastung war allerdings auch extrem hoch. Neun Spiele in sechs Tagen ist für 3×3-Basketball untypisch. Vielleicht beginne ich nächste Woche mit Laufen. Jetzt tut es für Körper und Geist einfach gut, mal Pause zu machen.
Wann fangen Sie an, sich neue Ziele zu setzen?
Ich habe in diesem Jahr noch ein Ereignis mit der U23, da geht es Mitte September zur 3×3-WM in die Mongolei. Es ist mein letztes Jahr mit dem Team – und da ist es schon das Ziel, noch eine Medaille zu holen. In den vergangenen Jahren sind wir immer unglücklich ausgeschieden. Und bald geht es bei Faenza in Italien mit dem 5×5, der klassischen Basketball-Variante, wieder los. Seitdem ich mich im vergangenen November auf Teneriffa verletzt habe, habe ich nicht mehr 5×5 gespielt.
Wie groß ist die Umstellung?
Schon groß. Ich muss mich darauf erst wieder einstellen. Von der Belastung ist es anders. Beim 3×3 hast du die Kurzintervalle, und beim 5×5 dauert ein Spiel viel länger. Ausdauermäßig ist es eine andere Herausforderung, auch das Spiel ist anders angelegt. Aber ich freue mich darauf.
Waren Sie schon einmal in Los Angeles?
(lacht) Nein, war ich nicht. Natürlich habe ich das Ziel, 2028 dabei zu sein. Die Erwartungshaltung ist hoch, nachdem wir jetzt Gold gewonnen haben. So weit blicke ich aber nicht. Ich will nun einfach den Erfolg von Paris genießen und guten Einstieg in Italien zu schaffen. Das ist das, wo mein Kopf gerade ist.
INTERVIEW: BJÖRN MAHR