„Wir sind das kleine, unbeugsame Dorf“

von Redaktion

Urgestein Blaschke über den Allgäu Triathlon, die Konkurrenz und das Deichmann-Projekt

Der Alpsee: Meist ist er recht frisch, in den Anfängen des Events gab es noch keine Neoprenanzüge. © Allgäu Triathlon

Der Kuhsteig: Diese Stelle des abschließenden Halbmarathons ist beliebt und gefürchtet zugleich. © Allgäu Triathlon

Allgäu-Organisator und Frohnatur: Hannes Blaschke im für ihn legendären Hawaii-Hemd. © Allgäu Triathlon

Immenstadt – Am Sonntag bebt das Allgäu. Der „Kult“-Triathlon in Immenstadt findet zum 42. Mal am Bühler Alpsee und der Umgebung statt. Auch Hannes Blaschke ist in seiner Heimat seit dem Debüt 1983 diverse Mal gestartet, bis er vor rund zehn Jahren auf die Veranstalter-Seite wechselte. Der 64-Jährige war der erste Deutsche, der 1985 beim legendären Hawaii-Ironman mit Platz vier eine Topplatzierung erreichte. Im Interview mit unserer Zeitung spricht die Triathlon-Legende über das eigene Event, die Konkurrenzveranstaltung Ironman-EM in Frankfurt und Extremsportler Jonas Deichmann.

Herr Blascke, jubelt das Triathlon-Herz oder hätten Sie lieber eine Veranstaltung weniger am Sonntag?

Dass Frankfurt auf unser Wochenende verlegt wurde, hat erst mal für Unruhe gesorgt und wir haben kurz überlegt, ob wir verlegen sollen. Aber wir sind das kleine, unbeugsame, Allgäuer Dorf im Süden unserer Nation und haben schnell beschlossen, dass wir unser Ding durchziehen.

Die kürzeren Strecken (Sprint und Olympisch) waren nach zehn Minuten ausverkauft, die Mitteldistanz nach drei Stunden.

Wir freuen uns über die Beliebtheit, die in den vergangenen Jahren entstanden ist, aber das ist für uns nicht selbstverständlich. Viele kleinere Wald-und-Wiesen-Events sind leider verschwunden, weil die Genehmigungsverfahren mittlerweile so kompliziert sind. Wir bieten viel Professionalität mit dem ganzen Social-Media-Internet Brimborium drumherum. Die Leute wollen das heutzutage so.

Jucket es sie selbst noch?

Nein, ich hab den Triathlon-Virus schon vor vielen Jahren rausgeschwitzt. Und Gründer German Altenried, der leider vergangenes Jahr gestorben ist, hat uns vor zehn Jahren die Verantwortung übergeben hat, dieses Vermächtnis ordentlich weiterzuführen, ist unser Anspruch.

Liegt es an Ihrem frühen „Karriere“-Ende, dass ihr Name im Zusammenhang mit Hawaii in der breiten Öffentlichkeit eigentlich nie fällt?

Mag sein. Aber wenn interessieren schon Triathleten, die vor 30 Jahren aktiv waren? (lacht) 1985 waren wir eher Exoten. Als ich nach Hause kam, hat mir meine Mama aufgeregt erzählt, dass mein Ergebnis sogar vom BR im Radio verkündet wurde.

Wenn Sie heut durch die Wechselzonen laufen und die Räder sehen, die mehr kosten als manch Kleinwagen, was denken Sie da im Vergleich zu früher?

Wir sind mit Stahlrössern und Riemenpedalen gefahren, die Technik hat seitdem eine wahnsinnige Entwicklung gemacht. Als in den 80ern die ersten Athleten mit Lenker-Aufliegern experimentierten, haben wir sie ausgelacht. Dann hat Greg LeMond 1989 mit so einem Ding bei der Tour dem Führenden Laurent Fignon noch 58 Sekunden beim Zeitfahren abgenommen. Danach wollten es alle.

Aerodynamisch nicht die einzige Änderung.

Nein, wahrlich nicht. Es gab auch vogelwilde Trinksysteme, die sich aber nicht bewährt haben. Aber ich sage immer: Man kann auch auf einem 2000-Euro-Rad einen Triathlon machen und das schnell. Als ich noch Eventsprecher war, habe ich die letzten, die aus dem Wasser kamen, aber sau teure Räder hatten, etwas gehässig mit den Worten begrüßt: „Jetzt kommen die, deren Räder schneller sind, als sie selbst.“ Wen man einen Schnitt unter 25 km/h fährt, dann würde auch ein Kühlschrank keine aerodynamischen Unterschiede machen.

Neoprenanzüge gab es anfangs auch noch nicht, richtig?

Nein. Das Wasser hatte 17 Grad. Melkfett, hieß es, sei der Bringer. Also haben wir uns das Zeug zwei Zentimeter dick drauf geschmiert. Im Wasser war‘s auch super. Aber auf dem Rad waren deine Poren verstopft, da drohte ein Hitzestau.

Die Zeiten, die heute erreicht werden, hätten Sie sich das damals vorstellen können?

Ich komme eigentlich vom Radsport. Und dass man 180 Kilometer unter vier Stunden fahren kann, hätte ich nie gedacht. Was sich da getan hat, ist krass. Ich hatte mal Jan Frodenos Rad bei mir im Büro. Bei seinem Auflieger, hat zwischen die Ellbogen kein Blatt Papier gepasst. Ein normaler Mensch kann so gar nicht fahren, die Muskulatur und die Beweglichkeit muss man sich erst antrainieren.

Auch Jonas Deichmann hat viel trainiert für seinen Versuch, 120 Ironman am Stück zu machen. Sie haben immerhin mal den Ultra-Ironman (dreifache Strecke) auf Hawaii als Zweiter beendet. Ist das Projekt also skurril oder cool?

Wenn eine Sache so lange geht, dass derjenige der Sieger ist, der als Letztes einschläft, dann hat das für mich keinen Renncharakter mehr. Wir hatten damals drei Etappen an drei Tagen, das fand ich geil. Was Jonas macht, würde ich ganz sicher nicht schaffen. Ich habe auch keine Ahnung, wie er das sein Körper aushält. Zudem muss er mental ziemlich stark sein. Ob skurril oder cool? Mir gefallen diese beiden Pole, ich bewege mich in der Beurteilung ständig dazwischen hin und her.

Jonas startet in Roth, ein Event der „Challenge“-Serie. Frankfurt wird von der Marke „Ironman“ veranstaltet. Der Allgäu Triathlon ist eigenständig. Bleibt das auch so?

Ich sag’ mal so: Wir sind nicht nur bei den Athleten begehrt. Aber ich lasse mir nicht von Tampa (Sitz der Ironman-Group, Anm d. Red.) diktieren, wo ich im Alpsee die Bojen setzen darf. Zu Roth haben wir ein sehr gutes Verhältnis, aber es gibt ein paar Sachen, die wir im Allgäu einfach anders machen.


INTERVIEW: MATHIAS MÜLLER

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