ZUM TAGE

Was bei der EM war, zählt nicht mehr

von Redaktion

Neuausrichtung des DFB-Teams

Nach Toni Kroos und Thomas Müller verzichtet nun auch Ilkay Gündogan darauf, 2026 Fußball-Weltmeister zu werden, die Kohorte der Älteren und Verdienten tritt ab. Bundestrainer Julian Nagelsmann hatte sich nach dem Viertelfinal-Aus bei der EM sehr zuversichtlich in Richtung des nächsten großen Turniers geäußert, gewiss war da auch Trotz im Spiel, weil man sich vom englischen Schiedsrichter Taylor frisch verschaukelt fühlte – doch am Tag danach bestätigte der Coach die WM-Ambition, weil er davon ausging, es stünden keine großen personellen Veränderungen im DFB-Kader an. Toni Kroos mal ausgenommen, bei dem war klar kommuniziert, dass generell Schluss sein würde mit Fußball.

Dass Nagelsmanns Erwartung ein wenig blauäugig war, zeigt sich in diesen Wochen zwischen den Saisonen. Normal ist es schon so, dass Spieler sich in ihrem internationalen Wirken am Weltmeisterschafts-Turnus orientieren und erst nach einem globalen Turnier die Einschnitte stattfinden. Doch Deutschland hatte nun den Sonderfall der Europameisterschaft im eigenen Land, die Chance, so etwas überhaupt zu erleben, haben wenige Generationen – deshalb fühlt sich die „deutsche EM“ nach Endstation der Sehnsucht an. Kroos wäre ohne diesen Antrieb gar nicht in die Nationalmannschaft zurückgekehrt, für Müller war es eh schon eine Zugabe zur WM 2022, bei der er bewiesen hatte, dass seine zwischenzeitliche Ausbootung ein Fehler war. Und der kluge Gündogan wird gespürt haben, dass er jetzt das Maximum seiner DFB-Karriere erreicht hat und er mit 33 die vorhandene Kraft benötigt, um in einem immer noch dichter belegten Wettbewerbskalender als Vereinsspieler der Weltklasse zu bestehen. Nur Manuel Neuer ist noch uneinsichtig, was das eigene Vermögen betrifft.

Für Julian Nagelsmann verändert sich nun die Arbeit als Bundestrainer. Auch wenn er selbst seine Rolle nicht so interpretierte – bei der EM war er der Feuerwehrmann gewesen, der ein Team quasi aus dem Abstiegskampf ziehen und den deutschen Fußball vor einem Bedeutungsverlust bewahren musste. Dafür reaktivierte er alle Ressourcen und schaffte es, mit seinen Rollengesprächen für einige Wochen eine Hierarchie zu etablieren, die niemand, der dabei war, anzweifelte. Nun fällt Kroos weg, der den Spielaufbau übernommen und Mannschaftsteile verbunden hat, und Gündogan, ohne den Wirtz und Musiala ihre Kreativität nicht hätten ausleben können. Das DFB-Team verliert nun erst einmal einiges an Klasse, und die Atmosphäre wird sich verändern, weil die, die im Sinne des großen Ganzen stillhielten, den eigenen Anspruch formulieren dürfen.

Ab sofort ist Nagelsmann ein klassischer Bundestrainer, der zwei Jahre Zeit hat, für das nächste Turnier etwas aufzubauen. Aber dass er auf zentralen Feldspieler-Positionen vor der ersten Maßnahme Klarheit bekommt, sollte ihm den Start erleichtern. Guenter.Klein@ovb.net

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