Im Eishockey sind häufig Kopf und Nacken betroffen: Daniel Pfaffengut (Schwenningen) lässt sich behandeln. © IMAGO
Basketball-Klassiker Sprunggelenksverletzung: Der Würzburger Max Ugrai spürt den Schmerz. © IMAGO
Fast 80 Prozent der Spieler verletzen sich jede Saison im Fußball: Hier erwischt es den Dortmunder Ryerson. © IMAGO
München – Die Saison ist noch ganz frisch, im Fußball fanden gerade mal ein bisschen Testspielbetrieb und die erste Pokalrunde statt – doch schon herrscht wieder dieses Stück Alltag: Manager und Trainer müssen erklären, welche Akteure gerade nicht zur Verfügung stehen. Weil sie sich verletzt haben. Man nehme nur mal die Bayern: Wenn für sie am Samstag die Bundesliga beginnt, werden Hiroki Ito und Josip Stanisic fehlen. Der Japaner brach sich in einem Testspiel den Mittelfuß, Stanisic riss am Montag im Training bei einer Grätsche das Außenband im Knie. Die Ausfallzeiten sind auf mindestens drei und zwei Monate veranschlagt – Verletzungen lassen den Fußball nie in Ruhe. Und die anderen Mannschaftssportarten auch nicht.
Nun gibt es dazu neues wissenschaftliches Material: den „Sportreport 2024“ der VBG. Das Kürzel steht für Verwaltungsberufsgenossenschaft, sie ist eine der gesetzlichen Unfallversicherungen in Deutschland. Dass der Profisport hier eingegliedert ist, sorgt für einen verlässlichen Schmunzler, weil die Öffentlichkeit es nicht als verwaltende Arbeit wahrnimmt, wenn Basket- oder Handball gespielt wird. Gelegentlich ist auch ein Murren zu vernehmen aus den Vereinen, die glauben, die Beiträge seien zu hoch angesetzt und würden ihnen das Wirtschaften erschweren.
Was aber nicht zu bestreiten ist: Die VGB liefert immer wieder interessante Details zur Verletzungslage im deutschen Profiteamsport. Denn jeder Arbeitsunfall muss ihr gemeldet werden. Die Trainings- wie die Spielverletzung. Das versetzt die VBG in die Lage, von jeder der vier großen Sportarten ein Bild zu zeichnen: In welcher Phase der Saison sind die Akteure am gefährdetsten? In welchen Momenten eines Spiels? Auf welcher Position? Welche Verletzungen sind die häufigsten? Da zeigt sich dann: Beim Fußball sind es die unteren Extremitäten, Hand- und Basketball unterscheiden sich nur unwesentlich von ihren Verletzungsbildern her, Eishockey fällt aus der Reihe, weil fast jeder fünfte Verletzungsvorfall den Kopf betrifft, was natürlich keine erfreuliche Entwicklung ist.
Der „Sportreport 2024“, der diese Woche erschienen ist, hat es sich zum Schwerpunkt gesetzt, einen Zusammenhang zwischen Verletzungen und sportlichem wie wirtschaftlichem Erfolg zu suchen. Mitgearbeitet hat an der Untersuchung die Deutsche Sporthochschule in Köln, der Zeitraum, den man analysierte, war der von 2014 bis 2021, ausgewertet wurden die jeweils beiden höchsten Ligen. Was exemplarisch für den Fußball herauskam: „Ein Plus von 0,76 durchschnittlichen Verletzungen am Spieltag kostet ein Team am Saisonende einen Tabellenplatz. In der Bundesliga bedeutet dieser Platzierungsverlust durchschnittliche finanzielle Einbußen von 7,8 Millionen Euro.“ Denn mit einem schlechteren Rang in der Tabelle sinken auch die TV-Einnahmen, Sponsoren müssen weniger zahlen, vielleicht wird der internationale Wettbewerb verpasst. Klar: Im Fußball ist der Schaden am größten, weil hier das meiste Geld durchs System fließt.
Das große Thema der VBG ist Verletzungsprävention. „Sie lohnt sich nicht nur für die Gesundheit der Sportler, sondern auch für den sportlichen Erfolg und unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten“, erklärt Dr. Christian Klein, der Wissenschaftskoordinator Sport bei der Berufsgenossenschaft. Die entlastet würde, wenn‘s seltener kracht in den Hallen, Stadien, auf den Trainingsplätzen.
Dem Fußball gelang es im letzten Erfassungszeitraum erstmals seit 2014/15 wieder, unter eine Prävalenzrate von 80 Prozent zu kommen. Heißt: Jeder fünfte Spieler schafft es unbeschadet durch die Saison. Mi 2121 Verletzungen hält der Fußball aber seine Führungsposition vor Handball (1927), Eishockey (1163) und Basketball mit seinen allerdings deutlich kleineren Kadern (840). Relevant ist auch diese Größe: Wie viele Tage pro Saison ein Team auf einen Akteur wegen einer Verletzung verzichten muss. Im Handball sind es 34, im Fußball 29, im Eishockey 25, im Basketball 21.
Was zum Fußball noch zu sagen ist: Die Annahme, dass Verletzungen sich gegen Ende der Saison häufen würden, bestätigt sich in der VBG-Auswertung nicht. Hauptverletzungsmonate sind August (Training) und Dezember (Wettkampf). Und: Nur gut jede fünfte Verletzung resultiert aus einem gegnerischen Foulspiel. Gefährlicher ist das eigene Tackling.
GÜNTER KLEIN