Der August war in den letzten Jahren ein paradoxer Monat. Einerseits stieg bei allen Fans die Vorfreude auf die anstehende Bundesligasaison, andererseits ärgerte man sich fast über die eigene Naivität. Wozu all die Aufregung und Abwägungen, was die neue Spielzeit an Überraschungen liefern wird, wenn die wichtigste Frage schon vorher entschieden schien?
Denn eins war sowieso klar: An der Spitze gibt es keine Spannung. Meister wird – wie immer – der FC Bayern, Vizemeister Dortmund. Wird es besonders unterhaltsam, mogelt sich Leipzig oder Leverkusen auf Platz zwei, ansonsten schien die Reihenfolge der ersten Tabellenplätze stets vorbestimmt.
Das ist dieses Mal anders. Nach Leverkusens Durchmarsch, Stuttgarts Fabelsaison und Bayerns Einbruch sind die Karten neu gemischt. Die Ausgangslage ist offen wie lange nicht, und dafür sorgen die Clubs selbst. Bayer, das bislang alle Leistungsträger hielt und sich mit Terrier, Garcia und Belocian vielversprechend verstärkt hat, geht als Favorit in die Spielzeit. Das Einzige, was derzeit gegen die Alonso-Elf spricht, ist, dass letztes Jahr mit all den Last-Minute-Treffern wirklich alles für Bayer lief und sie wohl kaum eine zweite derart dominante Saison spielen dürften. Oder doch?
In München wird man das anders sehen: Der beste Grund für einen neuen Meister ist hier die eigene Stärke. Nach den Zugängen von Olise, Palhinha und Ito, aber auch den Abgängen von de Ligt und Mazraoui ist der Kader schwer einzuschätzen. Auf dem Flügel und der Doppelsechs hat sich der FCB verstärkt. Die Abwehr ist – auch aufgrund der Verletzungen – derzeit aber nicht zwingend stabiler als vergangene Saison. Über jedem Punktverlust wird die Frage schweben, ob Vincent Kompany das Vertrauen (und vor allem: die nötige Zeit) bekommt, um den Rekordmeister neu aufzubauen.
Der BVB hat mit Guirassy, Beier, Groß und Anton an Qualität dazugewonnen, Vizemeister Stuttgart den Verlust seiner Leistungsträger wiederum beeindruckend aufgefangen. Unter Trainer Hoeneß spielen sie weiter aufregenden Fußball, die Offensive um Demirovic, Undav, Millot und Führich verspricht ein nächstes Jahr voller Spektakel. In Leipzig hat ein gewisser Xavi Simons eine Saison rangehängt – und auch hier den üblichen Shootingstar-wechselt-direkt-zu-den-Bayern-Kreislauf durchbrochen. Sie sehen: Vor der neuen Saison ist einiges anders. Man darf der Vorfreude trauen. vinzent.tschirpke@ovb.net