Ein wahnsinniger Typ, ein relevanter Trainer

von Redaktion

Nachruf auf Christoph Daum. der mit 70 Jahren verstorben ist – Mit dem großen Gegenspieler ausgesöhnt

Fußball-Prediger bis zuletzt: Christoph Daum. © IMAGO

Ganz Deutschland blickte auf ihn: Christoph Daum, der koksende Trainer. © firo Sportphoto

Sein größter Erfolg: Meister mit dem VfB Stuttgart 1993. © dpa

München – Christoph Daum hatte wieder Haare. Er war präsent, schrieb Kolumnen, saß in Talkshows und hinterließ den Eindruck, eigentlich könnte er wieder loslegen als Trainer. Doch er kommunizierte bereitwillig auch Zahlen: Anzahl der Chemo-Behandlungen. Die gingen weiter, irgendwann waren es über 30. Das erinnerte daran, dass Christoph Daum doch sehr krank war. Lungenkrebs – was ihn, obwohl Raucher und kein Mensch mit gesunder Lebensweise – doch überrascht hatte, In der Dokumentation „Triumphe & Skandale“ führte er es zurück auf eine hitzige Phase seiner Karriere vor gut 30 Jahren. Nun ist Christoph Daum, wie seine Familie am Sonntagmorgen mitteilte, gestorben. Er war eine der schillerndsten Figuren des deutschen Fußballs, er wurde 70 Jahre alt.

So viel kommt einem in den Sinn beim Namen Daum. Zunächst – so ehrlich muss man auch in einem Moment des Innehaltens für einen Nachruf sein – ist es der Wahnsinn, den er veranstaltete und in den er sich hineintreiben ließ, weil er glaubte, Fußball müsse auch Entertainment sein. Als junger Trainer des 1. FC Köln giftete er – nicht zu vergessen: angefeuert von seinem Sportdirektor Udo Lattek – den integren Münchner Kollegen Jupp Heynckes an, der gar nicht mehr wusste, wie er sich gegen die anlasslosen Ad-hominem-Attacken des jungen Strebers wehren sollte; das übernahm dann Uli Hoeneß.

Dessen Feindschaft zu Christoph Daum erfuhr 2000 ihren Höhepunkt: Hoeneß wusste zumindest vom Hörensagen, dass Daum gelegentlich Kokain konsumierte, er machte eine starke öffentliche Andeutung, der Streit eskalierte in einem Er-oder-ich-Showdown. Daum stand unter keinerlei Druck, seine Sauberkeit beweisen zu müssen – gab aber in seiner Hybris eine Haarprobe zur gerichtsmedizinischen Untersuchung ab. Dass diese dann doch Spuren des Rauschmittels enthielt, rettete Hoeneß – und brachte Daum um das bereits zugesagte Amt des Bundestrainers, das Rudi Völler für ihn interimistisch besetzte. Daum verließ Leverkusen quasi bei Nacht und Nebel, legendär war die Verfolgungsjagd, die der Bild-Reporter Vim Vomland, bis dahin Daums loyales Sprachrohr, aufnahm. Es ging in die USA, nach Florida. Ein Fußballtrainer taucht unter – verrückt.

Das alles hätte es nicht gegeben, wäre Christoph Daum nicht ein höchst relevanter Trainer gewesen. Er führte den 1. FC Köln an die Bayern heran, wurde 1993 mit dem VfB Stuttgart Meister, flog mit Bayer Leverkusen hoch. Er konnte eine Mannschaft auf taktischer wie psychologischer Ebene führen. Wer ihn verpflichtete, bekam mehr als einen Übungsleiter, sondern dazu einen Frontmann und Botschafter. Bei Fenerbahce Istanbul nahm er die türkischen Fans für sich ein, und in Köln war er ohnehin die große Nummer. Er wurde sogar gebeten, Kinder zu segnen.

Die Verrücktheiten ließen mit dem Alter nach. Daum führte für ein Buch, aus dem er dann zwei Drittel kürzen musste, in einer Batterie von Ordnern Protokoll seines Lebens, es kam zu einer Aussöhnung mit dem großen Gegenspieler Uli Hoeneß, der es Daum hoch anrechnete, dass dieser still hielt, als die ganze Welt ihn wegen seines Steuerfalls und der Gefängnisstrafe verspottete und verachtete. Und dann wurde Marcel Daum, Christophs Sohn, als Co-Trainer mit Bayer Leverkusen kürzlich Deutscher Meister. Und irgendwie war alles gut.
GÜNTER KLEIN

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