Wenn Franz Beckenbauer an einem Montag Journalisten begegnete, sagte er gerne: „Die Woche fängt ja schon gut an.“ Das war – in bayerischer Ausprägung natürlich – der Satz, den der legendäre Räuber Kneißl formuliert haben soll, als er an einem Montag im Jahr 1901 erfuhr, dass er hingerichtet werden würde. Historiker haben eruiert, dass besagter Tag zwar ein Mittwoch war – aber egal: Das mit dem Montag hat sich in den Erzählungen verfestigt, und seinen Räuber-Kneißl-Gag hat Kaiser Franz auch angebracht, als er in die Kanzlei der Freshfield-Rechtsanwälte gebeten wurde, um eine Aussage zu den Geldflüssen rund um die Fußball-WM 2006 zu machen. Der Termin: ein Montag.
Am gestrigen Montag tagte das Landgericht in Frankfurt am Main wieder in dieser Sache, und für einen Beteiligten fing die Woche gut an. Aber wirklich und nicht im Räuber-Kneißl-Kontext. Wolfgang Niersbach muss sich nicht länger juristisch verantworten, sein Verfahren wird gegen eine Zahlung eingestellt. Auch wenn das kein Freispruch ist, darf Niersbach froh sein, mit 73 Jahren diesen belastenden Teil seines Lebens nun hinter sich zu haben. Als Deutschlands WM-Bewerbung 2000 – unter welchen Umständen auch immer – erfolgreich war, diente Niersbach dem DFB als Pressesprecher, der vor allem die Medienarbeit der Nationalmannschaft verantwortete. Im WM-OK war er dann Pressechef, seine Karriere nahm erst nach 2006 Fahrt auf. Als Generalsekretär, als Präsident. Vielleicht war das dann zu hoch für einen, der Fan des Spiels und Freund der Spieler war, bei den Enthüllungen im Jahr 2016 wurde er überrollt. Die Frankfurter Richterin hat es gut zusammengefasst: Niersbach hat bereits unverhältnismäßig gebüßt.
In dem „Sommermärchen-Prozess“ geht es längst nicht mehr um die Frage der Aufklärung, was alles geschah zwischen Frank Beckenbauer, dem Geschäftsmann Robert-Louis Dreyfus und FIFA-Gespenstern wie Jack Warner und Mohamed bin-Hammam und ob Deutschland sich das Turnier ganz schnöde gekauft hat. Ein paar Leute werden Bescheid wissen: Beckenbauers damals enger Berater Fedor Radmann, der bestens vernetzte Günter Netzer, der frühere FIFA-Präsident Sepp Blatter. Ihr wahrscheinliches Wissen haben sie aus Rücksicht auf den Ruf der Beteiligten oder die eigene Befindlichkeit lange genug für sich behalten, um es auch mit ins Grab zu nehmen. Die finale, schlüssige Erklärung zum Kreislauf von 6,7 Millionen Euro wird es nicht geben.
Belang hat der Prozess jetzt nur noch für Theo Zwanziger, der auch keine der Schlüsselfiguren war und der den Kampf um Reinwaschung zum Inhalt seines Lebens gemacht hat – und für den DFB von heute, der auf einen Steuerbescheid hofft, der sich zum Positiven ändert. Doch rein inhaltlich kommt nichts mehr, das Sommermärchen bleibt ungelöst, ein „Cold Case“. Zu den Akten. Guenter.Klein@ovb.net