Noch einmal Paris also. Die Stimmung von Olympia wird für die Paralympischen Spiele halten. Die Umbaupause betrug gerade einmal zweieinhalb Wochen. Und so gut wie die Franzosen das große Sportfest gestaltet haben, ist davon auszugehen, dass sie auch dem etwas kürzeren und kleineren Nachklapp einen eigenen und originellen Charakter verleihen werden und nicht einfach ihre Sightseeing-Show rund um Eiffelturm und Seine kopieren.
Für die Paralympischen Spiele könnte sich eine weitere Steigerung ihrer Wahrnehmung und somit der gesellschaftlichen Inklusion ergeben. Der entscheidende Schritt war es, beginnend mit Barcelona 1992, die Olympia-Städte dazu zu verpflichten, auch Menschen mit Behinderung eine Bühne zu geben. Die Bemühungen davor waren noch zaghaft, kaum jemand dürfte, ohne nachzuschlagen, wissen, dass es etwa schon 1972, im deutschen Olympia-Jahr, Paralympics gab. Sie fanden nur nicht in München statt, sondern in Heidelberg, und offiziell hießen sie „Weltspiele der Gelähmten“. Die Einschränkung wird längst nicht mehr spezifiziert, die heutigen Paralympics bilden den Behindertensport in seiner ganzen und großen Vielfalt ab. Und in seiner Klasse. Die Paralympischen Spiele bieten knallharten, professionellen Hochleistungssport.
Wobei es oft schwerfällt, den Wert der Leistung zu ermessen. Es besteht die Versuchung, Schnittmengen herzustellen zwischen der Sportwelt Nichtbehinderter und Behinderter. Wir begegnen nahezu perfekten Leichtathletik-Körpern, denen ein halber Arm oder Unterschenkel fehlt, Schwimmerinnen und Schwimmern mit bewundernswertem Stil und vielleicht noch mehr Gefühl fürs Wasser, weil sie geringere Sehkraft haben. Wir vergleichen Topleistungen aus beiden Sparten, staunen, wie nahe sie beieinander liegen. Und wir diskutieren, was moderne Prothesen beim Sprint oder Weitsprung ausmachen.
Diese Themen und ihre plakative Illustration tragen zum medialen Erfolg der Paralympics bei. Doch es entsteht ein verzerrender Blickwinkel auf weite Teile der paralympischen Szene. Wer im Rollstuhl sitzt. kann eine Kugel keine zwanzig Meter stoßen, sondern vielleicht nur sechs oder sieben. Wer eine zerebrale Schädigung hat, muss seinen Radsport auf einem Dreirad ausüben, und das sieht natürlich nicht dynamisch aus. Doch wie Michael Teuber es sagt, einer der Stars des paralympischen Sports, der seit 25 Jahren mit inkompletter Querschnittslähmung zur Weltspitze auf dem Rennrad gehört: Auch die statisch anmutende Performance eines Bocciaspielers kann genauso großer Sport sein wie ein 8,50-Meter-Satz des Weitspringers Markus Rehm.
Die Paralympics erfordern eine behutsamere Sichtweise als die olympischen Wettkämpfe. Auch wenn die Kulisse gleichermaßen verführerisch sein wird. Guenter.Klein@ovb.net