Der Chef: Andrew Parsons, Chef des paralympischen Komitees hielt eine starke Rede. © IMAGO
Entzündet: Auch bei den Paralympics steigt das Feier in den Himmel auf. © IMAGO
Spektakel pur: Die Eröffnungszeremonie der Spiele in Paris endete standesgemäß mit einem farbenfrohen Feuerwerk. © IMAGO/Zhang Haofu
Paris – Andrew Parsons blickte auf die Tribüne der Staatsoberhäupter um Frank-Walter Steinmeier – und rief ihnen ebenso wie den Millionen Zuschauern vor den Fernsehbildschirmen eine unmissverständliche Botschaft zu: „Vive la revolution“.
Mehr als zwei Jahrhunderte nachdem die Place de la Concorde ein Zentrum der Französischen Revolution war, solle nun am selben Ort „der Funke zur Inklusionsrevolution“ überspringen. „Liberte, egalite, fraternite“, rief der Boss des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC). Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – und zwar auch für behinderte Menschen.
Dies sei bei Weitem nicht überall auf der Welt der Fall, im Alltagsleben seien die Probleme gar noch schlimmer als im Sport. Auch in Deutschland werden aus den Reihen des Parasports gravierende Missstände angeprangert. „Noch immer werden Inklusion und Teilhabe in der Praxis erschwert oder gar verhindert. Die Gründe sind vielfältig, aber wir können und wollen das nicht hinnehmen“, sagte DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher zuletzt.
Unter dem Brennglas der Öffentlichkeit bietet sich nun eine Chance. „Durch ihre Leistungen werden die paralympischen Athleten Stigmata herausfordern, Einstellungen ändern und die Grenzen dessen, was man für möglich hält, neu definieren“, betonte Parsons bei der Eröffnungsfeier: „Die Paralympischen Spiele in Paris 2024 werden zeigen, was Menschen mit Behinderungen auf höchstem Niveau erreichen können, wenn die Hindernisse für den Erfolg beseitigt werden.“ Dies solle zur Inspiration für die ganze Welt werden.
In Deutschland sind die Probleme weiterhin tiefgreifend. „Ich spiele Rollstuhlbasketball und muss eben mit dem Rollstuhl in die Halle“, sagte etwa Maya Lindholm dem Magazin GQ: „Ich brauche einen Aufzug, barrierefreie Toiletten und Duschen, sonst geht das nicht.“ In Deutschland sei das vielerorts nicht der Fall, so die Paralympics-Siegerin von 2012. Athletensprecherin Mareike Miller prangerte bei web.de an, dass „Parasport nicht Teil des Schulsports ist“.
Der mittlerweile zurückgetretene zweimalige Paralympicssieger Heinrich Popow sieht „ein Bürokratieproblem“. So habe die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag von 2021 beteuert, „dass Deutschland in allen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens, vor allem aber bei der Mobilität, beim Wohnen, in der Gesundheit und im digitalen Bereich, barrierefrei wird“.
Passiert sei unter der Ampelregierung bis ein Jahr vor Ende der Legislaturperiode allerdings wenig bis nichts.
Dabei dürfte er die Dringlichkeit der Probleme bei den Themen Inklusion und Teilhabe nochmals an hoher Stelle hinterlegt haben.
In Paris werden jetzt Zeichen gesetzt. Und doch bleibt abzuwarten, ob die von Parsons ausgerufene „Inklusionsrevolution“ nachhaltig Erfolg haben wird.
SID