Letzter Lauf, dann die Belohnung

von Redaktion

Die Münchnerin Christina Hering beendet am Sonntag beim Istaf ihre Karriere

Die 800 Meter, ihre Strecke, wird Christina Hering am Sonntag nicht mehr laufen. Mit den 800 hat sie abgeschlossen und vor zwei Wochen in Sondershausen gesagt: Das war‘s, die Karriere endet. Aber es gibt noch eine offizielle Verabschiedung: Beim Istaf in Berlin, wohin die Münchnerin vor zwei Jahren gezogen ist, startet sie über die 600 Meter, eine Rarität im leichtathletischen Programm.

600 Meter, man denkt da an den Lauf, der für sie der wichtigste war: Das Finale bei den European Championships 2022 in München, in ihrer Heimat. Sie wusste: Der Gedanke, gewinnen zu können, war unrealistisch. Aber sie lieferte eine große Show, ging das Rennen offensiv an, stürmte voran –taktisch nicht schlau, aber emotional und voller Freude. In der zweiten Runde, auf der Gegengeraden, nach eben 600 Metern, ordnete das Feld sich den Vorleistungen entsprechend. Christina Hering wurde Siebte. Sie war zufrieden, „ich konnte in meinem Wohnzimmer die beste Leistung abrufen“.

Die Saison 2024 verlief enttäuschend. Obwohl sie sich fit fühlte, wie sie dem Portal leichtathletik.de versicherte, konnte sich Hering weder für die EM in Rom noch die Olympischen Spiele (es wären ihre dritten gewesen) qualifizieren. Nach Paris fuhr sie trotzdem – als Zuschauerin. Mit ihrem Fanclub. „Es wäre komisch gewesen, nicht dort zu sein“, erklärte sie. Die Zeit empfand sie als „super schön“.

Doch nun steigt Christina Hering aus dem ewigen Kampf um Hundertstelsekunden aus. Im 800-Meter-Lauf der Frauen sind die zwei Minuten die Wegscheide. Herings Bestzeit von 1:59:41 Minuten stammt aus dem Jahr 2019. Sie beherrschte die Mittelstrecken-Szenerie in Deutschland, wurde neunmal nationale Meisterin, dazu kamen einige Staffel- und Hallentitel – doch die Perspektive, international voranzukommen, fehlte. In der Weltspitze wurde einfach noch einmal drei, vier Sekunden schneller gelaufen.

Christina Hering ist immer aufgefallen. Wegen ihrer schlaksigen Erscheinung (Größe: 1,87 m), ihres raumgreifenden Schritts. Mit nun 29 ist sie im Reinen mit dem, was sie erreicht hat. Besser kann es nicht werden. Sie war Sportsoldatin, Studentin und Laufprofi, aber das eng getaktete Leistungssportleben hat ihr ansonsten wenig Raum gelassen. Sie will nun erst mal reisen: Australien, zwei Monate. Als Belohnung für zehn Jahre Entbehrungen. Und um nachzudenken, was als nächstes kommt.
GÜNTER KLEIN

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