Kampf um den München Marathon

von Redaktion

Kreisverwaltungsreferat serviert langjährigen Organisator ab – Kein Rundkurs mehr

Dienstältester Renndirektor: Gernot Weigl. © Imago

Münchner Spezifikum: Der Trachtenlauf. Die neuen Veranstalter wollen ihn auch anbieten. © Imago

Der München Marathon ist eine Institution, doch ab 2025 droht der Traditionsveranstaltung eine Neuausrichtung. © Martin Hangen

München – Der München Marathon am 13. Oktober 2024 wird ein Erfolg werden, Gernot Weigl, der Organisator, verfolgt den Eingang der Anmeldungen. Mit seiner Erfahrung aus 25 Jahren kann er hochrechnen: 26500 Menschen werden diesmal über die 42,195 Kilometer und die diversen Nebenstrecken an den Start gehen. Rekord. Der Traditionslauf hat die Corona-Delle hinter sich, seit 2023 überträgt das Bayerische Fernsehen live, es kommen auch Spitzenathletinnen und internationale Stars nach München.

Doch es wird wohl der letzte München Marathon dieser Art sein. Gernot Weigls Laune sinkt: „Wir stehen vor einem Scherbenhaufen“, sagt der 71-Jährige. Das Kreisverwaltungsreferat (KVR) hat ihm mitgeteilt, dass es für 2025 und 26 einen anderen Veranstalter geben wird: die Munich Athletics GmbH, verbandelt mit der LG Stadtwerke München. 2015 sind KVR und Münchner Stadtrat dazu übergegangen, den Marathon auszuschreiben, weil dieser ja über öffentlichen Verkehrsgrund führt. Die Ausschreibung für 2025 und 26 lief nun vom 1. Februar bis 31. März, mitgeteilt bekam Weigl die Absage dieser Tage. „Ich bin der dienstälteste Renndirektor in Deutschland“, erklärt er, „wir haben nie einen Zuschuss von der Stadt München in Anspruch genommen, ich möchte wissen, was wir 25 Jahre lang falsch gemacht haben“. Er müsse Miet- und Lagerräume bezahlen, er habe Angestellte, der Vertrag mit Titelsponsor Generali läuft noch zwei Jahre, aber er kann ihn nicht erfüllen. „Was wird ab dem 14. Oktober sein? Wir waren schon in der Vorbereitung für 2025. Der München Marathon ist mein Ein und Alles. Ich habe ihn mit meinem eigenen Geld aufgebaut.“ Zuvor war es der „Medien Marathon“ gewesen – und pleite gegangen. Weigl stellte die Veranstaltung auf stabile Beine.

Über die Munich Athletics GmbH mit ihren Geschäftsführern Jacob Minah und Julia Riedl sagt er: „Ein No-Name, der noch auf keinem Quadratmeter etwas veranstaltet hat.“ Die Geschäftsstelle der GmbH sitzt im Dantestadion, ist über eine Mobilnummer zu erreichen. Julia Riedl geht ran. Sie räumt ein: Große Erfahrung habe man nicht vorzuweisen, man werde aber ein Team mit Erfahrung aufbauen: „Ab Januar stellen wir ein.“ Ziel sei, mit dem München Marathon „Geld zu erwirtschaften für die leichtathletische Infrastruktur“. Julia Riedl sagt auch, man habe vom KVR bisher nur einen Anruf bekommen und noch nichts Schriftliches. Gleichwohl: Die Website der Munich Athletics GmbH kündigt den Lauf 2025 schon an. Und listet das Programm auf: Marathon, Halbmarathon, Staffel, 10 km, Funlauf, Trachtenlauf.

„Null Kreativität“, kontert Gernot Weigl. Der Trachtenlauf war seine Erfindung, „nachdem ich 2004 selbst in New York gelaufen bin und den dortigen Friendship Run erlebt habe. Da dachte ich mir, so etwas Ähnliches brauchen wir in München auch.“ Vor allem aber schmerzt ihn, dass seine Nachfolger die Strecke killen wollen. Weigl bot einen Rundkurs an, eine Schleife über die 42,195 Kilometer, „eine Sightseeing-Tour“ mit Start und Ziel im Olympiastadion (und 2024, da das Stadion gesperrt ist wegen der Renovierung, am Hans-Jochen-Vogel-Platz im Olympiapark). Unter den neuen Veranstaltern soll eine Halbmarathon-Runde zweimal gelaufen werden. Weigl hat das 2021 ausnahmsweise gemacht, als unter Corona-Einschränkungen auch die Deutsche Meisterschaft in München stattfand. Für den Fall einer hohen Teilnehmendenzahl sagt er „Chaos auf der Strecke“ voraus, die vermehrt auch im Englischen Garten liegen soll. Julia Riedl meint, es gehe ja auch „um Kostenersparnis, wenn man weniger Strecke überwachen muss“. Es ist recht offensichtlich, dass dem KVR daran lag, weniger Straßen absperren zu müssen am jeweils ersten Sonntag nach dem Oktoberfest.

Erledigt haben dürfte sich mit dem neuen Konzept zudem die Vorstellung, Spitzenleute nach München zu locken und dadurch medial interessant zu sein. Rekorde werden nur anerkannt, wenn sie auf Rundkursen gelaufen werden. Außerdem findet Weigl: „Eine Millionenstadt muss eine Marathonstrecke haben.“ Eine Sache von Image und Prestige. Julia Riedl versichert, man werde gleichwohl „eine schnelle Strecke haben. Sie verläuft komplett auf Asphalt. Das wird nicht der Abschied vom Leistungssport sein.“ Potenzielle Sponsoren werde man anschreiben.

Hinnehmen will Gernot Weigl das Vorgehen des KVR nicht. Er empfindet die Entscheidung „als Enteignung. Wir haben nur diese eine Veranstaltung“. Er sagt: „Das Beben hat stattgefunden, der Tsunami kommt erst noch.“ Womöglich wird sich die bayerische Laufsportszene solidarisieren, in der Weigl top vernetzt ist. Er hat die Angelegenheit auch einer Anwaltskanzlei übergeben. Denn so soll es nicht enden: „Andere kriegen eine Belobigung, ich den Arschtritt.“
GÜNTER KLEIN

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