Regierungserklärung: Julian Nagelsmann. © dpa/Daniel Löb
Anerkannt bei den Kollegen wie Florian Wirtz: Joshua Kimmich (r.) ist der neue Spielführer des DFB-Teams auf dem Weg zur WM 2026. © AFP/MIGUEL MEDINA
München – Darf man dem Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft auf den Popo hauen? Zum Glück mussten sich die zwei der vier Kinder aus dem Hause Kimmich, die den Papa am Sonntagabend nach dem 2:0 des FC Bayern gegen den SC Freiburg aus der Allianz Arena begleiteten und während der Interviews ein wenig ärgerten, die Frage noch nicht stellen. Denn offiziell war da noch nichts. Zwar hatte Joshua Kimmich schon angedeutet, wie er selbst über den vakanten Posten im Team von Julian Nagelsmann denkt: „Es war so, dass ich bei der EM zweiter Kapitän war. Ilkay (Gündogan/d. Red.) hat jetzt aufgehört, dadurch werden die Rollen neu verteilt.“ Nägel mit Köpfen aber machte der Bundestrainer erst am Montag. Seit 14.48 Uhr ist es amtlich: Kimmich folgt auf Ilkay Gündogan – und wird das DFB-Team am Samstag (20.45 Uhr) gegen Ungarn aufs Feld führen.
In Herzogenaurach hatte Nagelsmann zum Start in die Abstellperiode, in der am Dienstag danach noch das Gastspiel in Amsterdam ansteht, zur Regierungserklärung geladen. Obwohl Kimmich tags zuvor versichert hatte, „noch kein Gespräch“ mit dem Chefcoach gehabt zu haben, war die Nachricht kein Knall mehr. Neben Gündogan haben Toni Kroos, Manuel Neuer und Thomas Müller ihre (DFB-)Karrieren beendet, Kimmich ist turniererfahren, stets vorbildlich in der Trainingsarbeit, standfest in der Kommunikation. Wer, wenn nicht er? – das war die Frage, die der Bundestrainer beantwortete. Mit guten Argumenten, die er auch vor seinen Spielern geltend machte.
„Josh ist auf eins, in der Vertretung Antonio Rüdiger und Kai Havertz“, erklärte der 37-Jährige. Jonathan Tah, Pascal Groß, Niclas Füllkrug und Marc-Andre ter Stegen ergänzen den Mannschaftsrat neben Kimmich. „Die Spieler haben die Entscheidung dankend angenommen“, aus dem Mannschaftskreis hörte man nach Nagelsmanns Ansprache lauten Applaus. Der Trainer sieht den Kapitän als „Abgesandten der Mannschaft“. Kimmich „war der Nachfolgekandidat Nummer eins. In der Art und Weise, in der er seinen Job ausführt, ist er ein Vorbild. Er ist nie müde, will immer gewinnen, geht voran.“ Zudem habe er bei der EM als Rechtsverteidiger „eine Benchmark“ gesetzt: „Er wird diese Position auch weiter bekleiden.“
Nagelsmann freut sich auf den „lustigen Zeitgenossen“ und lobte den Menschen Kimmich für die „besondere Mischung“ seines Charakters: „Er wird stolz sein auf sein Amt – zurecht.“ Zunächst geht es darum, die „gemischten Gefühle“ zu verarbeiten, die alle bei der Ankunft mit Blick auf das Viertelfinal-Aus bei der EURO noch hatten. Vier „bedeutende Spieler“ hat der Bundestrainer in der Zwischenzeit nach „vielen guten, offenen und emotionalen Gesprächen“ verloren. Er stellte aber klar: „Die Tür ist für keinen zu.“ Auch nicht für Neuer, für den ter Stegen auf die Position der „klaren Nummer eins“ rückt. Den Konkurrenzkampf dahinter zwischen Alexander Nübel und Oliver Baumann will Nagelsmann nicht „künstlich anheizen. Das ist noch ein bisschen offen“.
Kimmich wird für alle da sein, so viel ist klar. Genauso sicher ist, dass er nach seiner Rückkehr in München auch als DFB-Kapitän wieder von den Kids geärgert werden wird. Die Worte „Jetzt gibt‘s erst mal Anschiss“, mit denen sich der Papa am Sonntag in Richtung seiner schelmisch grinsenden Kinder verabschiedete, konnte er ohnehin nicht umsetzen. Keinen Meter weiter lachten alle zusammen.
H. RAIF, V. TSCHIRPKE