Spürt das Vertrauen: Kompany ließ Upamecano trotz Schnitzern in Wolfsburg wieder auflaufen. © IMAGO
Gemeinsam stark: Die Bayern gehen ohne Punktverlust in die kurze Pause – und ließen sich vor der Kurve für den makellosen Saisonstart feiern. © IMAGO
Der Druck für Vincent Kompany war schon vor dem ersten Heimspiel groß. Weil Matthijs de Ligt verkauft wurde, ein Transfer von Jonathan Tah nicht zu realisieren war und sich in den Wochen zuvor auch Hiroki Ito und Josip Stanisic verletzten, wurde der Trainer vor dem 2:0 (1:0) gegen Freiburg vor eine schwierige Wahl gestellt: Sollte er seinen zwei Stamm-Innenverteidigern Dayot Upamecano und Minjae Kim trotz ihrer Patzer in Wolfsburg vertrauen – oder mit Eric Dier einen Spieler aufstellen, der zwar Tempo-Defizite im Vergleich zu Kim und Upamecano hat, dafür bisher aber stets souverän verteidigte?
Bei der zweiten Wahl hätte Kompany ein geringeres Wagnis eingehen, dafür aber gleich im zweiten Ligaspiel von seiner hohen Pressing-Taktik abweichen müssen, um Diers Geschwindigkeit passend ins Abwehrgefüge einzubauen. Der Trainer entschied sich dagegen – und ging mit seiner neuen Abwehrformation sogar ganz bewusst ins Risiko. „Der Trainer hat gesagt, er übernimmt die Verantwortung dafür“, berichtete Manuel Neuer über das Abwehr-Experiment des FC Bayern, bei dem Kim und Upamecano große Teile des Spiels als alleinige „Zweierkette“ aufliefen und im Spielaufbau zwischendurch Unterstützung des Keepers bekamen.
Der Plan dahinter: In Kimmich und Guerreiro sollten zwei etatmäßige Außenverteidiger ins Zentrum rücken, um dort mit Aleksandar Pavlovic und Jamal Musiala eine Überzahl zu schaffen. Gerade Kimmich lief dabei so offensiv auf, dass die Bayern große Teile des Spiels ohne Rechtsverteidiger spielte – eigene Ballverluste hätten also bitter bestraft werden können.
„Das Risiko spielt auf jeden Fall eine Rolle. Es ist schon so, dass ich auch darauf achte, Situationen vorher abzubrechen, die eng werden“, erklärte Neuer seine neue Aufgabe. Aber: „Wenn ein Fehlpass aus dem Nichts kommt, ist es natürlich schwer, das vorher zu erkennen. Ansonsten wollen wir den Aufbau so gestalten, dass wir aus jeder Situation ein Tor erzielen können.“
Doch auch für den Rest des Teams gab es bei Kompanys Heimspiel-Debüt neue Aufgaben: Musiala startete seine Dribblings als Achter aus der Tiefe, Olise, Tel und Gnabry rotierten weiter vorne. Der Coach erklärte sein Taktik-Experiment so: „Wir wollten, dass Freiburg nicht ins Pressing kommt, daher hatten wir eine Rotation drin.“
Sein erstes Fazit? Die neue Ausrichtung sei „okay“ gewesen – jetzt gehe es vielmehr darum, sich einzuspielen: „In der ersten Halbzeit war das Positionsspiel gut und dann bekommen wir ein Spiel, wie wir es wollen. In der zweiten Halbzeit sieht man, dass wir den Rhythmus brauchen“, so Kompany. „Aber mit jedem Sieg macht man einen weiteren Schritt.“
Vor der anstehenden Länderspielpause steht der Rekordmeister nun ohne Punktverlust da, auch im Pokal ist die erste Hürde geschafft. Für Kompanys bisherige Arbeit gab es deshalb auch Lob von Max Eberl: „Zwei super Spiele, zwei Siege – da kann man vom Soll sprechen“, bilanzierte der Sportvorstand – der abschließend auch Kompanys neue Formation hervorhob. „Ich finde es schön, wenn du einen Trainer hast, der Dinge auch probiert und versucht, offensiv zu agieren.“ Hörte sich nach einem klaren „Weiter so“ an. Aber es muss halt auch gutgehen.
Um sich auf den nächsten Gegner vorzubereiten, hat Kompany nun knapp zwei Wochen Zeit. Nicht nur die Spieler von Holstein Kiel dürfen gespannt sein, was er aus dem Hut zaubert.
V. TSCHIRPKE, H. RAIF