Der passende Gesichtsausdruck zur Misere von Red Bull: Max Verstapen (r.) in Monza. © EPA/DANIEL DAL ZENNARO
Monza – Nicht nur der Erfolg hat Max Verstappen verlassen, auch die Geduld des Formel-1-Weltmeisters mit dem eigenen Team ist nach dem Tiefschlag von Monza aufgebraucht. „Letztes Jahr hatten wir ein großartiges Auto, das dominanteste Auto aller Zeiten, und wir haben es im Grunde in ein Monster verwandelt“, schlug Verstappen Alarm und legte nach: „Es gibt keine Ausreden mehr!“
McLaren, Ferrari oder Mercedes –- am Sonntag sogar alle drei – hängen das Weltmeisterteam mittlerweile in unschöner Regelmäßigkeit ab. Verstappen führt zwar weiter in der Fahrer-WM, und auch Red Bull Racing zehrt in der Konstrukteurswertung weiter vom starken Saisonstart mit sieben Verstappen-Siegen bis Ende Juni. Doch das Polster schmilzt rapide. In der aktuellen Verfassung, ergänzte Verstappen, „sind beide Weltmeisterschaften nicht realistisch“.
Vor allem deswegen, weil die Red-Bull-Teamführung offenbar keine Ahnung hat, wo genau man „falsch abgebogen ist“ (Helmut Marko) bei der Entwicklung des Fahrzeugs. Dessen Schwäche vermochte Verstappen eine Weile noch mit seiner fahrerischen Extraklasse zu überdecken. In Monza aber funktionierte „nichts“, wetterte der Niederländer und zählte die Mängel auf: „Balance, Pace, Strategie, Reifenwechsel.“
„Red Bull versinkt in der Krise“, schrieb die Gazetta dello Sport, was allerdings für Italiens Sportorgan nur ein Randaspekt war angesichts der Jubelarien über den Ferrari-Heimsieg durch Charles Leclerc. „Verstappen ist nicht mehr der einzige Herrscher“, bemerkte der Corriere della Sera treffend. Dem Serienchampion, dessen vierter WM-Titelgewinn im Frühsommer als ausgemachte Sache galt, kommen zunehmend die Höflinge abhanden. Angeführt von Aerodynamik-Genie Adrian Newey suchen besonders in der Technikabteilung immer mehr Spitzenkräfte das Weite, sie verstärken Kontrahenten, zugleich schwindet damit das Know-how bei der Entwicklung des eigenen Rennwagens.
„Newey ist nicht mehr eingebunden. Das ist ein Faktor“, bekannte auch Red-Bull-Motorsportberater Marko: „In so einer Situation würden seine Routine und seine Übersicht vielleicht helfen.“ Auch Verstappen unterstrich in Monza, dass er es „gerne gesehen hätte, wenn Adrian geblieben wäre“.
„Es werden weitere Köpfe rollen“
Und so nähert man sich dem Ursprung der Red-Bull-Krise an. Den Exodus der klugen Köpfe zumindest in Teilen mit der im Frühjahr abgeräumten Affäre um Teamchef Christian Horner in Verbindung zu bringen, bedarf keiner höheren Mathematik. Horner, dem der thailändische Mehrheitseigner des Konzerns den Rücken stärkte, muss nun liefern und schnell für die Zeiten-Wende sorgen. Bei einer Krisensitzung in Monza wurde der Kurs festgelegt. „Wir müssen dort hingehen, wo das Auto noch wettbewerbsfähig war“, sagte Marko. Also auf den Entwicklungsstand des frühen Sommers.
Für Ralf Schumacher wird Red Bull seine Titel damit nicht mehr verteidigen können, egal was nun getan wird. „Für mich hat sich das Thema bis auf Weiteres erledigt“, sagte der frühere Grand-Prix-Sieger in seiner Funktion als Sky-Experte: „Die Unsicherheit ist da, es werden noch weitere Köpfe aus dieser Unsicherheit heraus rollen, viele werden unzufrieden sein.“ Die einzig gute Nachricht zumindest für Verstappen ist, dass sich noch kein Kontrahent aufdrängt, ihm die WM-Führung zeitnah streitig zu machen. Die letzten sechs Rennen gewannen fünf verschiedene Fahrer, am Sonntag vergab der WM-Zweite Norris die große Chance, den Rückstand von 70 Punkten dramatisch zu verkürzen. Er wurde nur Dritter, Verstappen liegt damit weiter 62 Punkte vorn. Ein bisschen mehr muss schon kommen, um ihn zu stürzen.
SID