Abgang, mal wieder: Zverev war nach seiner Pleite gegen Fritz ratlos. © IMAGO
New York – Wütend stieß Alexander Zverev die Tür in Richtung des Spieler-Ausgangs im Arthur Ashe Stadium auf und stapfte im blauen Shirt mit der Aufschrift „NYC“ davon. Auch dieser Ausflug nach New York City zu den US Open endete für den Olympiasieger von 2021 statt mit der ersehnten ersten Grand-Slam-Trophäe nur im ganz großen Frust. „Das war einfach bodenlos von mir heute“, schimpfte er über das 6:7 (2:7), 6:3, 4:6, 6:7 (3:7) gegen den Amerikaner Taylor Fritz im Viertelfinale und war ratlos. „Ich habe keine Antworten.“
Nach seinem Abgang bei der Pressekonferenz ließ Zverev die TV-Kameras wortlos stehen, verschwand rasant von der Anlage. Bloß weg. Eine Erkenntnis begleitete ihn auf dem Weg zurück nach Manhattan: Die Zeit für die Jagd nach einem Titel bei den vier größten Turnieren läuft langsam davon.
„Ich bin 27 Jahre alt, ich werde 28 nächstes Jahr“, sagte Zverev voller Bitterkeit in der Stimme. Die nächste Saison endet mit respektablen Grand-Slam-Ergebnissen wie dem Finaleinzug bei den French Open – „aber ich habe keinen gewonnen. Das interessiert mich alles nicht.“ In den vergangenen 25 Jahren holten bei den Herren nur der Schweizer Stan Wawrinka und der Kroate Goran Ivanisevic ihren ersten Grand-Slam-Titel in einem höheren Alter als Zverev aktuell ist.
Bei seiner Premiere in einem Grand-Slam-Finale vor vier Jahren bei den US Open gegen Dominic Thiem fehlten Zverev noch die Erfahrung und zwei Punkte. Mal wurde er danach von einer schweren Verletzung wie dem Knöchelbruch bei den French Open 2022 gestoppt. Mal waren es kleinere Blessuren vor großen Spielen. Mal stand die Extra-Klasse der neuen Generation im Weg, wie beim verlorenen Endspiel in fünf Sätzen gegen Carlos Alcaraz im Stade Roland Garros von Paris diesen Sommer.
Doch eine völlig verdiente Niederlage gegen den Weltranglistenzwölften Fritz, der nun zum ersten Mal ein Grand-Slam-Halbfinale spielt? Zverev war dabei nicht von einer Knieverletzung gehemmt, wie noch vor knapp zwei Monaten beim Wimbledon-Achtelfinalaus gegen den Amerikaner, sondern im Vollbesitz seiner Kräfte. Und dies alles zu einem Zeitpunkt, an dem sich Alcaraz und Novak Djokovic als Titelgewinner der vergangenen beiden Jahre längst aus dem Turnier verabschiedet hatten. „So sauer war ich lange nicht mehr“, gestand Zverev.
Er versuchte sein „fürchterliches“ Spiel mit dem Fehlen der Rückhand während der kompletten Partie zu erklären. Sein Paradeschlag. „Ich habe kein Gefühl im Schläger gehabt, null Komma null“, klagte Zverev. „Es war unglaublich. Ich weiß nicht, ob ich je in meiner Karriere so ein Gefühl bei meiner Rückhand gehabt habe.“
Vor allem fehlte es dem Hamburger aber in den teils langen und spektakulären Ballwechseln an Aggressivität. Zu passiv, zu mutlos agierte Zverev in den entscheidenden Momenten des Matches, überließ Fritz in beiden klar verlorenen Tie-Breaks die Initiative. Der Amerikaner attackierte hingegen den Aufschlag seines Gegners früh und variierte sein eigenes Service erfolgreich.
Kurios: In der Weltrangliste schiebt er sich nach den US Open wieder auf sein Allzeit-Hoch, Platz zwei nach vorne. Für den Saisonabschluss bei den ATP Finals hat Zverev sich als Spieler mit den meisten gewonnenen Matches dieses Jahr bereits qualifiziert.
Zuvor stehen für ihn noch vom 20. bis 22. September der Laver Cup in Berlin und Turniere in Asien an. Doch all dies rückt gerade weit in den Hintergrund.
DPA