„Ich bin einfach ein ungarischer Junge“

von Redaktion

Ex-Bundesliga-Torwart Gabor Kiraly über das Duell seiner ersten mit der zweiten Heimat

Markenzeichen graue Jogginghose: So wurde Gabor Kiraly in Deutschland bekannt. © imago

Seine graue Jogginghose ist Kult. In Deutschland stand Gabor Kiraly (48) für Hertha BSC (1997 bis 2004), Bayer Leverkusen (2009) und 1860 München (2009 bis 2014) zwischen den Pfosten. Wenn die DFB-Elf am Samstag (20.45 Uhr) Ungarn empfängt, drückt der frühere Nationaltorhüter seinem Heimatland die Daumen, wie er im Interview klarstellt.

Herr Kiraly, nerven Sie eigentlich die ständigen Fragen nach Ihrer grauen Jogginghose?

Nein, überhaupt nicht. Ich war 26 Jahre lang Profi, 23 davon habe ich mit der langen grauen Hose im Tor gestanden. 1996 habe ich sie das erste Mal in einem Spiel für Szombathelyi Haladas in Ungarn getragen, danach waren wir neun Spiele in Folge ungeschlagen. Daher habe ich mir gedacht, sie bringt Glück.

In Deutschland wurden Sie damit jedenfalls berühmt.

Hertha BSC war 1997 meine erste ausländische Station. Ich war damals 21 Jahre alt, habe die deutsche Sprache gelernt und mich auf die deutsche Kultur eingelassen. Meine beiden Kinder wurden in Deutschland geboren. Egal, ob in München, Berlin oder Leverkusen – ich fühle mich in Deutschland wie zuhause. Ich habe sehr positive Erinnerungen an die Menschen, die Kultur, die Fans und die Vereine, für die ich in der 1. und 2. Bundesliga spielen durfte. Eine große Ehre.

Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Zeit bei 1860 München?

Sehr positive. Ich habe 178 Spiele für den Verein gemacht. 60 hat tolle Fans und Tradition. Wir haben damals auch in der Allianz Arena gespielt. Aber Gott sei Dank bin ich ebenfalls im Stadion an der Grünwalder Straße im Tor gestanden. Ein historischer Ort. Meine Zeit bei 60 bleibt hängen. Ich komme immer gerne zurück nach München. Ich habe mir auch schon Drittliga-Spiele vor Ort angeschaut. Für mich wird 60 immer 60 bleiben – egal in welcher Liga.

Am Samstag empfängt Deutschland in der Nations League Ungarn. Wem drücken Sie mehr die Daumen?

Sicherlich schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Aber ich bin einfach ein ungarischer Junge. Ich drücke natürlich in erster Linie Ungarn die Daumen. Aber Deutschland ist wie meine zweite Heimat. Ich hoffe, dass es ein gutes Spiel mit Tempo und hoher Qualität wird. Die bessere Mannschaft soll gewinnen.

Neuer, Kroos, Gündogan und Müller spielen nicht mehr für die deutsche Nationalmannschaft. Ein Vorteil für Ungarn?

Jeder Trainer stellt immer seine aktuell beste Mannschaft auf. Bei Deutschland ist eine Generation nun weg von der Bühne, daher muss die nächste in ihre Fußstapfen treten. Neuer & Co. waren auch mal jung. Aber die Zeit vergeht im Fußball schnell. Auch in Ungarn gehen verdiente Spieler und neue nehmen ihren Platz ein.

Auf wen muss die DFB-Elf gegen Ungarn besonders aufpassen?

Ungarn ist immer stark, wenn das Team als kompakte Einheit auftritt. Wir haben wichtige Spieler wie Roland Sallai – oder Dominik Szoboszlai. Er ist sehr gut, auch kreativ und kann Spiele entscheiden. Auch Andras Schäfer kann das, wie er bei der EM 2021 beim 2:2 gegen Deutschland in München gezeigt hat. Wer die Tore macht, ist aber am Ende egal.

Mit Marc-André ter Stegen hat Deutschland nach dem DFB-Rücktritt von Neuer eine neue Nummer eins. Was denken Sie über ihn?

Ich fand ihn immer gut. Ich habe mir schon ein paar Spiele von ihm beim FC Barcelona live im Stadion angeschaut. Mein Eindruck ist auch, dass er erfahrener geworden ist. Er hat es verdient, die Nummer eins von Deutschland zu sein. Aber ich warte auch noch auf die nächste Generation an Torhütern, die ihm ein wenig Druck macht. Das kann seine Leistung noch weiter steigern.

2019 haben Sie Ihre Karriere mit 43 Jahren beendet. Was machen Sie jetzt?

Ich habe sehr viel Arbeit mit meinem Sportzentrum, das ich seit 21 Jahren in Szombathely leite. Wir haben sieben Fußballplätze, ein Vier-Sterne-Hotel, ein Reha-Zentrum, Konferenzräume. Wir haben 250 Kinder, die wir entwickeln. 56 Menschen arbeiten hier. Ich leite das Sportzentrum mit meiner Frau, arbeite täglich zehn bis zwölf Stunden. Aber ich mache das gerne. Ich bin auch Präsident bei unserem Verein, seit mein Vater gestorben ist. Es ist eine schöne Arbeit.


INTERVIEW: PHILIPP KESSLER