Gina Böttcher freut sich über ihre Silbermedaille über 50m Rücken © Stratenschulte/dpa
Paris – Gina Böttcher kurvte ganz cool mit ihrem Skateboard zum Siegerpodest, mit der Silbermedaille um den Hals fuhr sie dann gar noch eine Ehrenrunde in der ausverkauften Arena La Defense. Nachdem am letzten Abend der Schwimm-Wettbewerbe endlich auch ihr großer Moment gekommen war, gönnte sie sich eine stimmungsvolle Party im deutschen Haus. „Ich freue mich sehr, damit hätte ich nicht gerechnet“, sagte die 23-Jährige. Das fühle sich „sehr gut“ an.
Erst recht weil sie in ihrem Leben schon viele einschneidende Momente durchmachen musste. So elegant Böttcher in der französischen Hauptstadt über 50 m Rücken zu Bronze geschwommen war, so bewegend ist ihre Geschichte. Die 23-Jährige kam ohne Unterarme und Unterschenkel zur Welt. Bis zur Geburt war das nicht zu erkennen, ein Schock für Böttchers Eltern. „Dann haben sie mich im Krankenhaus liegengelassen“, erzählte Böttcher kürzlich in einer Dokumentation.
Böttcher wurde vermittelt. In ihrer ersten Pflegefamilie funktionierte es nicht, ein halbes Jahr später fand sie aber ihr Glück. „Ich bin meinen Pflegeeltern dankbar, dass ich hier sein darf, dass ich genauso aufgewachsen bin, wie ihre leiblichen Kinder“, erzählte Böttcher. In Paris war ihre „neue“ Familie samt Freunden zur Unterstützung vor Ort.
Doch auch der Weg zum Schwimmen war kompliziert. Im Dänemark-Urlaub 2013 rannte Böttcher ihren Brüdern hinterher, in einem kleinen Becken verlor sie plötzlich die Orientierung. „Dann war ich irgendwann unter Wasser und kam nicht mehr hoch“, berichtete die Potsdamerin: „Es hat sich wie eine Ewigkeit angefühlt.“ Seitdem mied Böttcher das Wasser, bis zur achten Klasse.
Aufgrund ihrer Behinderung konnte sie nicht am Schulsport teilnehmen, sie brauchte einen Ersatz – und entschied sich für Schwimmen. „Das war eine sehr große Überwindung, weil ich Angst hatte“, sagte Böttcher. Aber sie kämpfte sich durch, verlor ihre Angst und fand eine Leidenschaft. Mit 16 Jahren begann sie mit dem Leistungssport.
„Ich finde es krass, dass man das, was einem früher Angst gemacht hat, jetzt nicht mehr missen will“, erzählte Böttcher. Mittlerweile ist sie dreimalige Europameisterin, hat drei WM-Medaillen und nun eben Paralympics-Silber in Paris. 2028 soll es noch eine Stufe auf dem Treppchen nach oben gehen. „Jetzt habe ich zumindest ein Ziel für L.A.“, sagte sie.
SID