ZUM TAGE

Auch Nagelsmann muss noch lernen

von Redaktion

DFB-Entwicklung

Hätten es ihm nicht die Trikotfarben verraten, hätte sich Joshua Kimmich wohl immer wieder fragen müssen, ob er gerade für die Nationalmannschaft oder den FC Bayern aufläuft. Wie auch im Verein unter Vincent Kompany spielte er mit der DFB-Elf gegen die Niederlande eine extrem riskante Taktik, bei der die Abwehrkette hoch aufrückt und über den gesamten Platz Mann gegen Mann verteidigt.

Die Vorteile dafür liegen auf der Hand. Wenn man als Mannschaft dominant auftreten möchte, hat man so die Möglichkeit, den Gegner schon im eigenen Spielaufbau zu stören und so gar nicht erst in die eigene Hälfte kommen zu lassen. Nach vorne verteidigen nennt sich dieser Spielstil heutzutage, der aber auch nach hinten losgehen kann, wie der Dienstagabend zeigte. Weil die schnellen holländischen Stürmer große Räume vor sich hatten, konnten sie immer wieder hinter die deutsche Abwehrkette stoßen und so Probleme verursachen.

Nach der Partie gab es von deutschen Spielern wie Pascal Groß den berechtigten Hinweis, dass diese Taktik Zeit benötigt, um sie als Mannschaft zu perfektionieren. Es stellt sich allerdings die Frage, ob ein Trainer mit einer Nationalmannschaft diese Zeit hat. Zwar ist die Grundidee der absoluten Dominanz verlockend, ohne genügend Übung läuft man aber Gefahr, ins offene Messer zu laufen. Gegen die Niederlande kämpfte sich die Nationalelf nach dem frühen Gegentor schnell zurück, gerade bei großen Turnieren können solche Fehler aber nicht so leicht ausgeglichen werden.

Die Mannschaft nicht überfordern

Nach den Rücktritten von Kroos, Gündogan, Neuer und Müller wurde in der Nationalelf zuletzt immer wieder betont, dass sich das Team nun weiterentwickeln müsse. Für Nagelsmann, einen hervorragenden und jungen Trainer, gilt das aber auch. Auf dem Weg zur WM 2026 wird er die Mannschaft stets nur für knapp zehn Tage am Stück um sich versammeln können. In den wenigen Trainingstagen ist es wichtig, die gestärkte Teamchemie zu fördern und als Mannschaft an Sicherheit zu gewinnen. Raum für neue Taktiken sollte es auch geben, dabei sollte er aber auf die Risiko-Abwägung achten. Ansonsten läuft er Gefahr, seine Mannschaft zu überfordern – und an der eigenen Taktik-Versessenheit zu scheitern.

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