„Wir spielen immer am Limit“

von Redaktion

Kiel-Kapitän Lewis Holtby über das Duell gegen den großen FC Bayern

Eingeschworene Truppe: In der Bundesliga gab‘s allerdings noch kein Grund zum Jubeln. © IMAGO/Bergmann

Im Januar 2021 schied der FC Bayern im DFB-Pokal in Kiel aus. © Lühn/Imago

Lewis Holtby (vorne) und Kiel wollen gegen den FC Bayern punkten. © Voelker/IMAGO

Holstein Kiel will wieder Großes schaffen. Nach dem überraschenden Pokalsieg im Januar 2021 möchten die Norddeutschen den FC Bayern am Samstag (18.30 Uhr, Sky) erneut zum Stolpern bringen und somit die ersten Bundesliga-Punkte in ihrer Vereinsgeschichte sammeln. Wie das gelingen könnte, verrät Kapitän Lewis Holtby im Interview.

Herr Holtby, Holstein Kiel ist mit zwei Niederlagen in die Bundesliga gestartet. Würden Sie sagen, man hat als Aufsteiger Lehrgeld bezahlt?

Natürlich will man immer Punkte holen. Wichtig ist, dass wir die letzten beiden Spiele analysiert haben und zum Schluss gekommen sind, dass wir definitiv konkurrieren können. Wir hatten Phasen, in denen wir fußballerisch richtig gut waren und uns Torchancen herausgearbeitet haben. Aber in der Bundesliga muss man seine Möglichkeiten nutzen und darf keine Gegentreffer zulassen. Wir müssen ein Stück weit mehr Effizienz haben – offensiv wie defensiv.

„Ich glaube, wir sind der Angstgegner von Bayern München. Hier war schon einmal ein Schneesturm-Spiel. Wenn Thomas Müller hier wieder herkommt, dann kriegt er Flashbacks.“ Nach dem Aufstieg haben Sie mutige Aussagen Richtung München getätigt und dabei auch auf den Pokaltriumph im Januar 2021 hingewiesen. Zudem haben Sie gesagt: „Harry Kane nehme ich in Manndeckung.“ Wie viel wird davon am Samstag eintreten?

Ich hoffe alles! (lacht) Ich möchte das ein wenig in den Kontext bringen: Wir sind zum ersten Mal in die Bundesliga aufgestiegen. Ich wurde nach den großen Gegnern, die nun zu uns nach Kiel kommen, gefragt. Ich hatte in dem Moment den Pokalsieg 2021 im Kopf. Das war eine witzige Nummer. In einer solchen Atmosphäre lässt man sich ein bisschen leiten und bringt in der Euphorie des gerade erreichten Aufstiegs auch mal einen flapsigen Spruch. Natürlich wissen wir, dass das Spiel am Samstag extrem schwierig wird. Wenn man die Realität betrachtet, weiß man schon, dass der FC Bayern mit Topspielern nach Kiel kommt.

Kennen Sie Ihre persönliche Bilanz gegen den FC Bayern?

Ein Sieg, ein Unentschieden und elf Niederlagen. Ich habe keine guten Erinnerungen… Spiele gegen den FC Bayern, gerade mit dem HSV, waren immer knallhart. Aber ich habe auch schöne Momente gegen sie erlebt. Mit Underdog Mainz haben wir 2010 über die Oktoberfesttage den FC Bayern mit 2:1 in München besiegt und waren auf Platz eins in der Tabelle. Dann gab es auch mal ein hart erkämpftes 0:0 mit Hamburg. Zahlen sind das Eine. Jetzt geht es darum, aus dem einen Sieg noch einen zweiten in meiner Bilanz zu machen.

Ihr Freund und Teamkollege Fiete Arp spielt ebenfalls seit 2021 in Kiel. Der Angreifer wechselte einst als Mega-Talent 2019 vom Hamburger SV zum FC Bayern. Dort konnte er sich nicht durchsetzen. Warum aus Ihrer Sicht?

Er hatte keine einfache Phase. Es ist nicht leicht, in einer solchen hochkarätigen Mannschaft in den Kader zu kommen. Mit der U23 wurde er 2020 Drittliga-Meister. Er hatte langwierige Handverletzungen, die ihn zurückgeworfen haben. Alles in allem hatte er eine lehrreiche Zeit beim FC Bayern. Er hatte das Privileg, für den deutschen Rekordmeister zu spielen. Für ihn war es auch ein guter und sinnvoller Schritt, zurück in den hohen Norden zu wechseln. Er hat sein Gleichgewicht gefunden.

Im Vergleich zur Vorsaison in der 2. Bundesliga spielt Ihre Mannschaft nun vom ersten Spieltag an gegen den Abstieg. Wie geht man das psychologisch an?

Jedes Spiel wird ein Highlight sein. Jede Partie wird anspruchsvoll. Wir werden immer am Limit spielen und uns mit den Besten messen. Das ist das Geile an der Liga. Vom Fußballerischen her ist die Bundesliga extrem gut. Aber auch die Zweite Liga war für uns eine extrem hohe Challenge, jedes Spiel war gefühlt auf Augenhöhe. Rein von der Rechnung her ist es wohl einfacher, in der Bundesliga zu bleiben, als in der Zweiten Liga aufzusteigen. Da muss man 16 Mannschaften hinter sich lassen, teilweise große Traditionsclubs. Für den Klassenerhalt in der Bundesliga muss man hingegen „nur“ vor zwei, drei Teams landen. Aber das ist eben auch eine sehr große Herausforderung. Aber es ist ein anderes psychologisches Denken. Man kann auch mal Spiele verlieren und schlussendlich trotzdem die Liga halten. Das ist unser Minimalziel.

2018 sind Sie mit dem HSV aus der Bundesliga abgestiegen. Hilft Ihnen Ihre Erfahrung nun im Abstiegskampf? Worauf kommt es an?

Zusammenhalt ist das Wichtigste. Die Mannschaften, die den größten Zusammenhalt haben, die ihren Prinzipien treu bleiben, haben gute Chancen, in der Liga zu bleiben. Wenn man anfängt, auseinanderzufallen, dann wird es schwierig. Denn dann werden die Basics losgelassen. Die sind extrem wichtig in der Crunchtime.

Aachen, Schalke, Bochum, Mainz, Tottenham, Fulham, HSV, Blackburn – Sie haben in Ihrer Karriere für große Vereine gespielt. Dennoch sagen Sie, Kiel sei Ihr „perfect match“. Warum?

Nach mittlerweile drei Jahren hier kann ich sagen, dass der Schritt zu Kiel perfekt war, auch um mich selbst zu finden, ein Stück weit Ruhe und Gleichgewicht zu haben und zu den alten Stärken zurückzukommen. Das ist mir Schritt für Schritt gelungen – dank eines tollen Umfelds mit tollen Menschen. Es war ein Segen, hierhin zu wechseln. Ich bin fast 34 Jahre alt, nächste Woche Mittwoch ist es so weit. Und ich kann die Mannschaft in der Bundesliga als Kapitän anführen.


INTERVIEW:

PHILIPP KESSLER, HANNA RAIF

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