Löwen schlagen sich selbst

von Redaktion

Dritte Heimpleite: Haarsträubende Fehler bei 2:3-Drama gegen Dresden

Frust im Dauerregen: Argirios Giannikis © Sampics

Das Aufbäumen kam zu spät – und wurde nicht belohnt: Der eingewechselte Last-Minute-Neuzugang Soichiro Kozuki nach einer von drei vergebenen Löwen-Chancen in der Nachspielzeit. © Sampics / Stefan Matzke

München – Nach dem Schlusspfiff: Keine Pfiffe, keine Beschimpfungen, keine „Trainer raus“-Rufe. Das war schon anders in dieser Saison, doch zumindest in der Nachspielzeit hatten die Löwen ein Spektakel geboten: Eckballserie, Pfostentreffer, Dresdens Matchwinner Tony Menzel klärte zweimal auf der Linie. Mit 30 Minuten Verspätung war das Spiel gestartet (aufgrund von Fahnen-Ärger hinter der Westkurve), spät nahm es Fahrt auf. Aus 1860-Sicht zu spät. Die Ausmaße des Schlamassels wurden vielen erst bewusst, als sie an einem trockenen Ort die Drittligatabelle auf ihre Smartphones holten: Platz 19 – mit der schlechtesten Abwehr der Liga und nur drei mageren Pünktchen. Gruselig wie das Wetter am Samstag ist auch der Ist-Zustand beim Drittliga-Dino, der in dieser Saison womöglich ums Überleben bangen muss.

Aber: Zumindest die Nachspielzeit war das Eintrittsgeld wert. Vier hochdramatische Minuten machten einen Augenblick lang vergessen, was die Zuschauer in den 90 Minuten zuvor vermisst hatten: Kampfgeist etwa, Leidenschaft und den Mut, den Favoriten aus der Reserve zu locken. Ein strukturierter, aber keineswegs überragender Auftritt reichte den Gästen aus Dresden, um der erschreckend fehlerhaften 1860-Elf ihre dritte Heimpleite zuzufügen. 2:3 hieß es am Ende des dritten Heimspiels, und Offensivallrounder Julian Guttau, am Samstag Torschütze (zum 2:3) und bester Löwe, fluchte: „Als Kollektiv waren wir in den entscheidenden Phasen nicht gut genug. Wenn wir uns solche Eier hinten reinlegen, gewinnen wir in dieser Liga kein Spiel. Dass wir so zurückkommen, zeigt ein bisschen den Charakter der Mannschaft, aber zu spät. Am Ende stehen wir mit einer weiteren Niederlage da. Das kotzt mich einfach nur an.“

Robert Reisinger hatte schon in der 70. Minute genug gesehen. Kurz nachdem Menzel mit seinem zweiten Treffer das vorentscheidende 1:3 erzielt hatte, verließ der 1860-Präsident die VIP-Tribüne und eilte zum Ausgang. Ob später noch der Krisenrat tagte, ist nicht bekannt. Rätsel geben vor allem die individuellen Fehler auf, die allen drei Dresdner Treffern vorausgingen. Vor Menzels Abstauber zum 0:1 hoben Kwadwo und Schifferl gemeinsam das Abseits auf. Das 1:2 von Meißner (nachdem Tunay Deniz einen Dynamo-Querschläger volley eingeschoben hatte) begünstigten Wolfram und Kwadwo per „Doppelkopf“-Rückgabe. Und vor dem 1:3 war es der eingewechselte Philipp, der den Ball im Strafraum querspielte statt wegzuhauen, was nicht nur bei Guttau Kopfschütteln auslöste. „Das dritte Tor war Wahnsinn“, schimpfte Raphael Schifferl: „Es stehen drei Leute in der Nähe. Der den Ball führt, muss ihn einfach klären.“

Dem Trainer solche Aussetzer anzukreiden, wäre unfair. Fakt ist aber auch, dass Argirios Giannikis nicht weiterkommt mit der Entwicklung der Mannschaft. Auch seine Bilanz ist schaurig (nur drei Siege aus den letzten 16 Punktspielen). Er selbst räumte ein, dass die Niederlage ein „Rückschritt“ sei, sagte aber auch: „Die Moral hat gestimmt, die Mannschaft hat bis zum Schluss gekämpft. In der Summe machen wir leider zu viele Fehler.“ Sorge um seinen Job muss er trotzdem nicht haben – Geschäftsführer Christian Werner stellte bei MagentaSport klar: „Es ist jetzt ganz arg wichtig, ruhig zu bleiben.“ Der Sportchef sieht weiterhin keinen Grund, dem Trainer das Vertrauen zu entziehen, stattdessen setzt er auf eine „knallharte, inhaltliche Analyse“.

Und trotzdem: Am Samstag in Bielefeld (16.30 Uhr) sollte keine weitere Niederlage dazukommen. Werner ist optimistisch, dass sich die Geduld auszahlen wird. „Die Mannschaft ist intakt und lebt“, sagte er: „Es spricht total für ihren Charakter, dass sie sich noch mal rangekämpft hat.“
ULI KELLNER

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