In Vorfreude: Lothar Matthäus. © IMAGO/Schmidt
Er soll und muss dem Bayern-Spiel den Stempel aufdrücken: Jamal Musiala. © IMAGO/Nakashima
Wiedersehen: Bayern trifft auf Flick. © IMAGO/Ramos
36 Mannschaften wollen ins Finale – das am 31. Mai in München stattfindet. © Falsche9
München – Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus ist heiß auf die neue Champions-League-Saison – und bekennt sich als Fan der Reform der Königsklasse. Im Interview spricht der Interwetten-Botschafter über das Auftaktspiel gegen Dinamo Zagreb und erklärt, weshalb er Thomas Müller auch auf internationalem Niveau eine wichtige Rolle zutraut.
Herr Matthäus, Sie haben sich als Fan der Reform geoutet.
Ich bin vor fünf Jahren auch schon ein Fan der Nations League gewesen, damals war dieser Wettbewerb hierzulande noch verschrien. Typisch: In Deutschland wird alles Neue erst einmal schlecht geredet. Es heißt selten: Gebt etwas Neuem eine Chance.
Haben Sie schon Durchblick, was den neuen Modus mit Liga-, Playoff- und K.o.-Runde betrifft?
Ehrlicherweise habe ich mich erst vor ein paar Wochen detailliert mit der Reform beschäftigt und auch mir die Frage gestellt: Was will die UEFA überhaupt? Jetzt sage ich: Ist ein geiles Ding! Die Auslosung habe ich verfolgt und mir gedacht: Wunderbar, wir haben schon an den ersten Spieltagen Paarungen dabei, die Endspiel-Charakter haben. Es kann sich sehr viel verschieben, man darf sich keine Fehler erlauben. Es ist Druck drauf! Und das willst du ja als Spieler – dich mit den Besten messen.
Der Auftakt des FC Bayern gegen Zagreb hat aber eher weniger Endspiel-Charakter.
Natürlich gibt es auch die vermeintlich einfacheren Gegner. Aber im zweiten Spiel geht es zum Beispiel gleich gegen den FC Barcelona. Trotzdem ist es eine Geschichte, wo ich sage: Das klingt spannend – auch wegen der Playoffs. Natürlich haben die betroffenen Mannschaften dann nochmal zwei Spiele mehr, wenn man ins Finale möchte. Aber, hey: Da wollen wir doch alle hin.
Die Mehrbelastung ist trotzdem ein Thema.
Ja, wir weinen immer und sagen: Es sind so viele Spiele. Wir haben aber mittlerweile einen 20-Mann-Kader, wo Nationalspieler teilweise nicht einmal im Kader stehen, wenn alle gesund sind. So kann man die Belastung auch teilweise etwas kompensieren.
Ist es ein Vorteil, dass die Bayern erst auf einen leichteren Gegner treffen – oder wäre ein Kracher besser gewesen?
Die kommen ja noch (lacht). Ich finde die Konstellation mit Zagreb besser für den FC Bayern, gerade weil man noch etwas in der Findungsphase ist: Die neuen Spieler sind noch nicht vollends auf dem Platz integriert, es steht mit Vincent Kompany ein neuer Trainer an der Seitenlinie, einige Nationalspieler sind sehr spät gekommen.
Die Defensive wirkt nach den ersten Pflichtspielen wie das Sorgenkind.
In Sachen Abwehr-Besetzung ist man ganz sicher mit dem Transferfenster in diesem Sommer nicht einverstanden gewesen. Man hat mit Matthijs de Ligt einen wirklich zuverlässigen Innenverteidiger verloren, Hiroki Ito ist zwar dazugekommen, hat sich aber gleich früh verletzt. Außerdem kennt er die Champions League aus Stuttgart noch nicht, dementsprechend ist der Rhythmus mit Bundesliga, Königsklasse und DFB-Pokal für ihn noch unbekannt. Außerdem spielt er mehr auf der linken Seite und ist – wie Dayot Upamecano und Minjae Kim – eher ein ruhiger Zeitgenosse. Ich hätte mir so einen richtigen Leader hinten gewünscht. So wie Jonathan Tah!
Der Höhepunkt in der Vorrunde dürfte das Wiedersehen mit Hansi Flick und Barcelona sein.
Erst einmal freue ich mich sehr für Hansi, das ist ja ganz klar. Ich hatte schon die Hoffnung, dass er zum FC Bayern zurückkehrt. Er hätte dem Verein gut getan. Jetzt hat er die ersten fünf Spiele gewonnen. Aber bei Barcelona muss man immer vorsichtig sein: Sie wissen natürlich, unter welchen Umständen sie in die Saison gegangen sind. Jetzt haben sie eine gute Mannschaft mit vielen guten jungen Spielern. Das ist ja das, was Barcelona wieder aufbauen möchte: An diese erfolgreichen Zeiten mit Xavi, Andres Iniesta und Lionel Messi anknüpfen, die aus dem eigenen Nachwuchs stammten.
Und Hansi Flick arbeitet gerne mit jungen Spielern zusammen.
Genau! Das hätte man auch beim FC Bayern wissen müssen, dass Hansi nicht die fertigen Superstars möchte, sondern jungen Spielern vertraut. Er war übrigens auch daran interessiert, Florian Wirtz vor vier Jahren zum FC Bayern zu holen. Hasan Salihamidzic wollte es damals aber nicht – aus welchen Gründen auch immer. Hansi hat in München alles erreicht, was man erreichen kann als Trainer und hatte auch als Spieler ein paar Jahre auf dem Buckel gehabt. Das wird ein schönes, respektvolles Wiedersehen vor und nach dem Spiel. Ich sehe Bayern, Barcelona und Paris als die drei Mannschaften, die sich im Kampf um die K.o.-Runde die Punkte gegenseitig wegnehmen.
Von welchen Spielern erwarten Sie, dass sie dem FC Bayern den Stempel aufdrücken?
Es ist doch ganz logisch, dass es Harry Kane und Jamal Musiala sind. Die Mannschaft ist auf die Tore von Kane und die Spielweise von Musiala angewiesen. Wir müssen schauen, wie die Neuzugänge einschlagen: Joao Palhinha spielt bisher noch keine Rolle, Joshua Kimmich wurde wieder als Denker und Lenker ins Mittelfeld beordert. Ich traue aber auch Thomas Müller zu, dass er wieder mehr Spielzeit erhält und für den Trainer sehr wichtig wird.
Sehen Sie Ihn als Stammspieler oder eine Art Spieler-Co-Trainer?
Zweiteres, als Stammspieler sehe ich ihn nicht. Aber es wäre auch nicht intelligent vom neuen Trainer, wenn er so einen Spieler nicht mit ins Boot holt – und Vincent Kompany ist intelligent. Er hört auch nicht mehr: Das ist kein Thomas-Müller-Spiel. Das war bei Thomas Tuchel ja an der Tagesordnung.
INTERVIEW: MANUEL BONKE