Ein Lachen nur für die Kameras? Mbappe und Vinicius Junior beanspruchen den Star-Status jeweils für sich. © IMAGO/Irina R. Hipolito
Madrid/Barcelona – Vorige Woche kam es im Madrider Fußball zu einem aufsehenerregenden Comeback. Toni Kroos wurde wieder in der Szene gesichtet. Allerdings besuchte der Deutsche nur die „Toni Kroos Academy“ – seinen neuen Ausbildungsclub im wohlhabenden Vorort Boadilla del Monte. Vergebens blieben Hoffnungen, der Mittelfeldstratege könne selbst wieder die Schuhe schnüren.
Zwanzig Kilometer weiter östlich im Zentrum der Hauptstadt gastiert heute der VfB Stuttgart bei einem Real Madrid, das Kroos schmerzlich vermisst. „Unersetzbar“ nannte Trainer Carlo Ancelotti seinen Spielmacher einst, und wer in Ancelottis damaligen Worten eine düstere Prophezeiung erblicken mochte, darf sich soweit bestätigt fühlen. Real „rumpelt“ durch die Saison, findet die Madrider Sportzeitung „As“. Die Ausbeute von elf Punkten aus fünf Partien ist noch das Positivste, bedeutetet aber trotzdem schon vier Zähler Rückstand auf Barcelona. Dabei sah sich Real nach dem in allem Pomp zelebrierten Mbappé-Transfer erst recht als Meister aller Klassen. Doch noch plagen den Franzosen gewisse Anpassungsprobleme.
Erwartbar – wie auch die zahlreichen Blessuren bei Profis, die im Sommer kaum regeneriert haben und diese Saison wegen neuer und erweiterter Wettbewerbe bis zu 70 Matches allein im Club bestreiten müssen. Andere Konflikte hingegen überraschen. zuvorderst einer um Vinícius und sein Standing im Verein. Der seit jeher streitbare Brasilianer ist manchen offenbar zu weit gegangen, als er kürzlich anregte, Spanien die Ausrichtung der WM 2030 zu entziehen, sollten die rassistischen Beleidigungen in den Stadien (zuvorderst gegen ihn) nicht abnehmen. Vinícius sei zu sehr mit Dingen außerhalb des Fußballs beschäftigt, wird nun lanciert. Gleichzeitig wird bestritten, dass die Ankunft eines neuen Galaktischen das sensible Ego-Gleichgewicht im Team durcheinander gebracht haben könnte. Vinícius’ Verhältnis zu Mbappé gilt soweit als einwandfrei. Der Sturmpartner Rodrygo beklagte sich dagegen zuletzt schon auffallend häufig.
Doch über allem steht die Lücke, die Kroos hinterlassen hat. Ohne ihn fehlen Sinn und Struktur auf dem Platz – das Gespür für Pausen und Beschleunigungen, für die Wechsel zwischen direktem und elaboriertem Angriffsspiel. „Man kann ihn nicht ersetzen“, wiederholte Ancelotti am Wochenende, erklärte aber auch, „dass das Thema erledigt ist: Wir müssen nach vorn schauen.“ Die Saison ist lang, die Champions League neuerdings noch länger, und am Ende hat man es ja immer irgendwie hinbekommen.
FLORIAN HAUPT