Wir haben ein Recht auf die WM!

von Redaktion

Saudi-Arabiens Bewerbungschef Hammad Albalawi im Interview

Fußball-Freude oder Sportswashing? Am Austragungsort Saudi-Arabien für eine Weltmeisterschaft scheiden sich die Geister.

Cristiano Ronaldo ist der Star von Al-Nassr und soll für mehr Popularität sorgen. © SAFF

Fünf Austragungsorte sollen bei der WM in zehn Jahren neue Maßstäbe setzen. © Saudi Arabian Football Federation

Das King Salman International Stadium in Riad soll eines der Schmuckstücke der WM 2034 werden. © SAFF

Im Dezember soll ein außerordentlicher FIFA-Kongress auch die Weltmeisterschaft 2034 vergeben. Mit dem Zuschlag für Saudi-Arabien wird noch in diesem Jahr gerechnet. Ob das Turnier im Wüstenstaat im Sommer oder Winter stattfinden wird, steht noch nicht fest. „Die Saudi Pro League trägt ihre Spiele in zehn Monaten des Jahres aus. Das ist ein weiteres Beispiel dafür, wo wir in Bezug auf die Möglichkeiten stehen“, sagt Hammad Albalawi zu unserer Zeitung. Bei der geplanten WM in zehn Jahren will das Königreich jedenfalls neue Maßstäbe setzen, wie der Leiter der Turnier-Bewerbung im Interview verrät.

Träumen Sie auch davon, 2034 mit der Nationalmannschaft die WM zu gewinnen, Herr Albalawi?

In den frühen 80ern investierte Saudi-Arabien viel in den Fußball, und diese Investition schlug sich in den Leistungen auf dem Spielfeld nieder. Anfang der 90er waren wir 21. in der FIFA-Rangliste. Und das hat dazu geführt, dass wir in den 90ern dreimal den Asien Cup gewonnen und zwei weitere Male das Finale erreicht haben. Außerdem waren wir 1994 bei der WM in den USA dabei – und diese Teilnahme war unsere beste überhaupt, denn wir haben das Achtelfinale erreicht. Unser Ziel und unser Ehrgeiz auf dem Spielfeld bestehen nicht nur darin, an dieses Leistungsniveau anzuknüpfen, sondern auch darin, eine führende Wettbewerbsnation im Männerfußball zu werden und den Frauenfußball weiterzuentwickeln. Und wenn man zu den 20 besten Nationen gehört, ist man wettbewerbsfähig genug, um Trophäen gewinnen zu wollen. Da unterscheiden wir uns nicht von anderen Ländern.

Warum will das Königreich die Weltmeisterschaft ausrichten?

Die WM ist ein wichtiger Meilenstein. Wir investieren viel in unsere Liga, in unsere Infrastruktur, in unsere Clubs und in die Vermarktung unserer Möglichkeiten – mit oder ohne WM. Wir tun dies, weil es unserer Liebe zum Fußball entspricht, und das ist definitiv etwas, worauf wir weiter aufbauen. Aber wenn wir uns die Weltmeisterschaft genauer ansehen, werden wir das Konzept einer kompakten WM wieder aufgreifen, die den Fans ein unkompliziertes Erlebnis bietet. Im Jahr 2034 sehen wir ein Turnier, das einfach zu erreichen ist, bei dem man sich leicht fortbewegen kann und das jeden willkommen heißt. Fans, die bisher stundenlang mit dem Hochgeschwindigkeitszug oder anderen Verkehrsmitteln reisen mussten, werden eine WM genießen, bei der sie weniger unterwegs sein müssen. Die beiden am weitesten entfernten Austragungsorte liegen innerhalb von nur zwei Flugstunden. 2019 führte das Weltwirtschaftsforum einen Index durch, um zu messen, wie gut die Städte über das Straßennetz verbunden sind – und Saudi-Arabien belegte weltweit den ersten Platz. Außerdem wird eines der von uns vorgeschlagenen Fanfestgelände bis zu 150 000 Menschen Platz bieten. Die niederländische Parade, wie wir sie bei der EM beobachtet haben, neben der saudischen und den latein- und südamerikanischen Fans zu sehen, ist etwas, auf das ich mich freue.

Kritiker werfen Saudi-Arabien vor, die WM nur ausrichten zu wollen, um von den Problemen des Landes abzulenken.

Die Weltmeisterschaft ist für uns weder das Ziel noch das Ende der Reise. Wir arbeiten auf einen Plan hin, der sich Vision 2030 nennt und der Chancen in allen Bereichen schafft. Die WM ist ein Mittel, um etwas Größeres für unser Land zu erreichen. Die Leute können ihre eigenen Vorstellungen und Meinungen davon haben, warum wir das tun. Die Wahrheit ist, dass die Vision 2030 es mir, einem Mitglied dieser Gesellschaft, ermöglicht hat, an einem Projekt zu arbeiten, das mir sehr am Herzen liegt und von dem ich träume. Und ich denke, Sie werden mir zustimmen, dass ich und alle Saudis ein Recht darauf haben, unsere Träume zu verwirklichen.

Nachdem Katar den Zuschlag für die WM 2022 erhalten hatte, wurde es jahrelang wegen Menschenrechtsverletzungen und „Sportswashing“ kritisiert. Was tut Saudi-Arabien, um das gleiche Schicksal zu verhindern?

Saudi-Arabien wurde in der Vergangenheit viele Jahre lang dafür kritisiert, nicht genug im Bereich der sozialen Reformen und der Transformation zu tun. Und jetzt, wo wir all diese Initiativen ergreifen, hält die Kritik an. Die Vision 2030 schafft mehr Chancen. Meine Töchter werden Turnerinnen, die an Wettkämpfen teilnehmen. Diese Möglichkeit hätte es vor ein paar Jahren noch nicht gegeben. Ich bin stolz darauf, sagen zu können, dass dank unseres Wandels heute keine Karriere für saudische Frauen unerreichbar ist. In nur fünf Jahren hat sich der Anteil der Frauen in der Berufswelt verdoppelt. Heute sind 35 Prozent unserer Arbeitskräfte Frauen. Und als Land sind wir dem gleichen Zugang und den gleichen Chancen für Männer und Frauen, Jungen und Mädchen absolut verpflichtet. Wir sind entschlossen, diesen Weg fortzusetzen. Dies ist etwas, das wir niemals von einem Projekt oder einem Turnier abhängig machen werden. Wir sind nicht perfekt. Wir werden nie behaupten, dass wir es sind, und ich denke, Sie werden mir zustimmen, dass kein Land jemals perfekt ist. Aber wir werden uns weiterhin für unsere Menschen einsetzen.

Wie fühlen Sie sich, wenn Sie immer wieder kritisiert werden?

Wir erleben, dass Menschen, die das Land besuchen, oft mit massiven Vorstellungen kommen und mit Fakten wieder gehen. Wir bitten sie, nach Saudi-Arabien zu kommen und das Königreich aus nächster Nähe sehen.


INTERVIEW: PHILIPP KESSLER

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