In Bremen bestehen? Das ist nicht so leicht!

von Redaktion

Werder-Legende Tim Borowski über seine Bayern-Zeit und das Liga-Duell

Borowski war bis 2021 Co-Trainer der Bremer. © IMAGO

Mal Freund, mal Freind: Borowski und Schweinsteiger.

Borowski, im runden Foto zur aktiven Zeit im Duell mit Schweinsteiger, hat großen Respekt vor Goretzka (o.). © IMAGO (2)

München – Stolze 15 Jahre lang hat Tim Borowski insgesamt das Trikot von Werder Bremen getragen – einzige Unterbrechung: die Saison 2008/09. Unter Jürgen Klinsmann, Jupp Heynckes und Louis van Gaal verbrachte der heute 44-Jährige ein knappes Jahr beim FC Bayern. Wenn seine beiden Ex-Clubs an diesem Samstag (15.30 Uhr) im hohen Norden aufeinandertreffen, schaut der langjährige Co-Trainer von Werder natürlich genau hin.

Herr Borowski, 7:1 gegen Kiel, 9:2 gegen Zagreb – haben Sie irgendeine Hoffnung, dass Bremen gegen Bayern etwas holen kann?

Was die Bayern da aktuell abliefern, sieht sehr harmonisch aus. Vincent Kompany hat einen absolut neuen Drive reingebracht. Der Start in die Champions League war ein echtes Statement, solche Ergebnisse sieht man ja nicht alle Tage. Aber man darf bei all der Euphorie nicht vergessen: Werder ist auch gut gestartet.

Um genau zu sein, ist Werder saisonübergreifend seit neun Spielen ungeschlagen, gegen Dortmund gab es ein 0:0.

Eben. Und für jedes Team, das nach Bremen kommt, ist es nicht leicht zu bestehen. Das wissen die Bayern auch. Die haben Selbstvertrauen, aber das haben die Bremer auch. Wenn du von der Tagesform alles abrufen kannst und ein bisschen Spielglück hast, kannst du Bayern in der derzeitigen Form etwas ärgern. Wissen Sie, was mir in dem Zusammenhang gefallen hat?

Was?

Die Aussage, die Mitchell Weiser unter der Woche getätigt hat. „Wenn die neun Tore machen, machen wir zehn“ – das ist die richtige Herangehensweise. Wenn es gelingt, das auf dem Platz umzusetzen, ist die Partie offen.

Ist es Ansporn, den Bayern die Wiesn-Bilanz zu verhageln?

Auf dem Platz wird das keine Rolle spielen. Aber bekanntermaßen ist es aus Bayern-Sicht schöner, wenn man am Anstich-Tag mit einem Auswärtssieg nach Hause kommt. Der offizielle Team-Termin macht nach einer Niederlage keinen Spaß.

Mehr als 15 Jahre lang hat man beim letzten Bremer Sieg gegen Bayern über eine Partie gesprochen, in der sie zwei Tore geschossen haben. Im Bayern-Trikot 2008, Endergebnis: 2:5.

Bis heute werde ich immer wieder auf dieses Spiel angesprochen, ein echter Dauerbrenner – vor allem bei Events (lacht). Ich sage dann immer dasselbe: dass Bremen uns in dem Spiel an die Wand gespielt und durchaus noch das eine oder andere Tor hätte erzielen müssen. Mit dem 5:2 waren wir gut bedient.

Seit der Rückrunde der letzten Saison gibt es einen neuen letzten Bremer-Sieg. Das 1:0 im Januar hat eine lange Durststrecke beendet – und bewiesen, dass es möglich ist.

Auf jeden Fall. Es gab ja mal Zeiten, in denen Mannschaften schon im Vorfeld eines Duells mit Bayern darüber gesprochen haben, wie viele Gegentore sie „nur“ kassieren möchten. Das war natürlich der Qualität der Bayern geschuldet, aber auch der Grundeinstellung. Dass die sich inzwischen ein bisschen verändert hat, freut mich. Weil man in einem Bundesliga-Spiel schon auch mit einer gewissen Portion Selbstbewusstsein auftreten muss. Nicht naiv, aber mutig. Sonst wirst du gegen Bayern nicht bestehen.

In Ihrer einen Saison in München standen drei verschiedene Trainer an der Seitenlinie, zuletzt gab es auch viel Fluktuation. Trauen Sie Vincent Kompany zu, eine Ära zu prägen?

Auf jeden Fall. Ich habe ihn das erste Mal als ganz, ganz jungen Kerl in Hamburg erlebt. Schon damals war zu erkennen, dass er als Spieler Potenzial hat, aber vor allem ein starker Charakter mit Führungsqualitäten ist.

Man sagt, ehemalige Spieler umgibt auch als Trainer eine besondere Aura.

Es ist schon ein Vorteil, wenn jeder Spieler weiß, dass der Chef schon alles erlebt hat. Manchmal sind Spieler ja auch eigen und versuchen, jede offene Tür zu durchstoßen. Diese Tür ist aber fest zu, weil Kompany genau diese bestimmte Aura hat, die man auch auf dem Spielfeld sieht. Trotzdem ist er ein lockerer, anderer Typ, auch im Umgang mit den Spielern. Er erinnert mich ein wenig an den jungen Carlo Ancelotti. Ein Menschenfänger, der Superstars zusammenbringt und vereint. Weil er das Geschäft kennt und selbst Spieler auf allerhöchstem Niveau war. So etwas gefällt mir total.

Er lässt mutig spielen, drückt jedem Spiel einen Bayern-Stempel auf. Ist es aber eine Chance für Bremen, die möglichen Lücken aus dem hohen Kompany-Pressing zu nutzen?

Das sollte auf jeden Fall ein Lösungsansatz sein. Es ist schade, dass in Justin Njinmah ein Spieler fehlt, der solche Fehler schnell bestraft. Aber auch ohne ihn gibt es genug Bremer, die das können. Werder kann extrem eklig sein und Bayern über Umschaltmomente wehtun.

Sie haben mit Werder Champions League gespielt – und sind dann zu Bayern gewechselt.

Weil ich vier Stempel in meiner Karriere haben wollte: Titel, Nationalmannschaft, Champions League, FC Bayern. Bis heute bin ich stolz darauf, dass ich sie alle bekommen habe. Natürlich hatten wir damals in München ein unruhiges Jahr, aber auch ein lehrreiches. Klinsmann, Heynckes, van Gaal: Drei verschiedene Trainer. Und Uli Hoeneß habe ich viel zu verdanken. Der Kontakt zu ihm hat mir zwischenmenschlich viel gegeben.

Auf der Sechs, Ihrer damaligen Position, stehen aktuell fünf Spieler mit vollkommen unterschiedlichen Profilen im Kader.

Verschiedene Spielertypen zu haben, ist nur positiv. Und es ist ja auch der Anspruch beim FC Bayern. Vielleicht hatte man von der Qualität und Quantität zwischendurch nicht so eine Besetzung. Aber dass du dich gegen ein, zwei Spieler auf deiner Position durchsetzen muss, ist ja nichts Neues.

Wie sehen Sie die Rolle von Leon Goretzka?

Ich finde es richtig stark, wie er mit der Situation umgeht. Er ist ein verdienter Spieler, das darf man nicht vergessen!

Hat er eine faire Chance?

Sich dann so zu präsentieren im Training, dazu direkt ein Tor beim ersten längeren Einsatz, ist bemerkenswert und zeigt seinen Charakter. Ich habe großen Respekt vor ihm und weiß: Leon wird nicht aufgeben. Es mag klingen wie eine Phrase, aber es ist in diesem Zusammenhang keine: Die Saison ist lang – und manchmal geht es schneller, als man vorher denken kann.


INTERVIEW: HANNA RAIF

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