Wenn es einen Mann im deutschen Fußball gibt, der frustrationserprobt ist, dann heißt er Marc-Andre ter Stegen. Wer zwölf Jahre übersteht, die zwischen seinem Debüt bis zur Berufung als Nummer eins vergehen, den dürfte im Fußballer-Leben eigentlich nichts mehr schocken. Und trotzdem ist das, was da am Sonntagabend passiert ist, für den 32-Jährigen der Super-GAU. Allein eine Blessur wäre zum Karriere-Höhepunkt in nicht mehr ganz so jungen Jahren schon unglücklich gewesen, aber eine schwere Verletzung wie jene, die sich ter Stegen in Villarreal am rechten Knie zugezogen hat, trifft seine Seele genau da, wo es richtig wehtut. Es hätte jetzt, wo Manuel Neuer den Platz frei gemacht hat, alles so einfach sein können… ist es aber nicht!
Man mag sich nicht ausdenken, was im Kopf des Barça-Keepers in jenen Momenten vorgegangen sein muss, als ihn die Schmerzen durchfuhren. Der Weg aus dem Stadion auf der Trage, die bangen Momente im Krankenhaus, die Gewissheit, dass erneut ein weiter, steiniger Weg vor ihm liegt: All das wünscht man niemandem – und vor allem nicht ter Stegen. Keine zwei Wochen, nachdem er offen über Enttäuschung und Frust im Schatten von Neuer gesprochen hat, liegt er wieder am Boden. Diesmal nicht nur bildlich, sondern wahrhaftig. Und es wird wohl acht Monate dauern, ehe er wieder aufrecht zwischen den Pfosten stehen und seinem Job nachgehen kann.
Natürlich war es keine Überraschung, dass die Frage nach dem Lückenfüller sofort gestellt wurde. Die Nummer eins im deutschen Tor ist ein gesellschaftlich relevantes Thema; jeder will, nicht jeder kann mitreden. So wurde mit den Namen Nübel, Baumann, Leno und Trapp am Montag genauso um sich geworfen wie mit dem Namen Neuer. Die Bühne für eine Rolle rückwärts ins DFB-Tor wäre frei, aber glaubt man den ersten Signalen aus beiden Lagern, steht sie nicht zur Debatte. Und das, muss man klar sagen, ist auch gut so.
Da geht es nicht nur um ter Stegen, sondern auch um die anderen. Macht Julian Nagelsmann aus der Not eine Tugend, setzt er auf die Jugend – und Nübel. Der Stuttgarter hätte sich das große Schaufenster mit starken Leistungen verdient, müsste aber auf seine Rolle hingewiesen werden. Zur Erinnerung: Als Neuer knapp 16 Monate (!) infolge seiner Ski-Verletzung ausfiel, wurde ihm sein Platz warm gehalten. Genau diese Behandlung verdient ter Stegen nun auch. Hanna.Raif@ovb.net