Das traurige Heimgesicht: Löwen-Frust nach der 2:3-Niederlage gegen Dynamo Dresden. Es war saisonübergreifend die fünfte Pleite auf Giesings Höhen hintereinander. © IMAGO
So seh‘n Sieger aus: Die 1860-Profis um Kapitän Verlaat lassen sich vom mitgereisten Anhang feiern. In Bielefeld gab es den zweiten Auswärtssieg in Folge zu bejubeln. © IMAGO
München – Essen, Ingolstadt, Bielefeld. Saisonübergreifend drei der letzten vier Auswärtsspiele haben die Löwen gewonnen. Kampfstark an der Hafenstraße (1:0), willensstark im Audi-Sportpark (2:1), spät auf der Arminia-Alm (1:0). Dass die Siege teils glücklich waren, speziell am Samstag, dürfte Trainer Argirios Giannikis egal sein – gewonnen ist schließlich gewonnen. Zu Hause dagegen ist schon länger der Wurm drin. Den letzten Sieg gab‘s Anfang April (3:1 gegen Köln), in dieser Saison blieb noch kein einziger Punkt in Giesing hängen. Auswärts hui, zu Hause pfui. Neben vielen Rätseln, die die Löwen ihren Fans aufgeben, ist die Heim-Auswärts-Diskrepanz ein Mysterium, das Fall für Fall betrachtet noch stärker wirkt.
Nimmt man auch bei den Heimspielen die Saison 2023/24 dazu, reihen sich sage und schreibe fünf (!) Niederlagen aneinander: 1:2 gegen Dortmund (obwohl der Klassenerhalt greifbar war), 0:2 gegen Bielefeld (Luft raus beim Saisonfinale), 0:1 gegen Saarbrücken (Flutlicht-Flop beim Drittliga-Auftakt), 1:3 gegen Köln (ein sportlicher Tiefpunkt) und 2:3 gegen Dresden (kurz vor Schluss beinahe 3:3, gefühlt aber eher ein 1:4). Was für eine Gruselbilanz! Vor allem, wenn man bedenkt, dass das Grünwalder Stadion ja lange als Festung und Stimmungshochburg gefeiert wurde. Zum Vergleich: Selbst in der Horrorsaison schlechthin, dem Abstiegsjahr aus der 2. Liga in der ungeliebten Allianz Arena (2016/17), hatten die Löwen nach 34 Spieltagen lediglich sechs Heimniederlagen auf dem wenig ertragreichen Runjaic/Pereira-Konto.
Die Frage(n), die sich nicht nur leidgeprüfte Dauerkartenbesitzer stellen: Alles nur Zufall, eine Laune des Schicksals? Oder steckt mehr hinter dem Null-Punkte-Fünferpack, den es so wahrscheinlich noch nie gegeben hat in 125 Jahren Fußball unter dem Wappen des TSV 1860? Gründe, die auf der Hand liegen, sind der Erwartungsdruck von außen, gepaart mit Verunsicherung, die Abstiegskampf bzw. Umbruch mit sich bringen. Auch die Kluft zwischen eigenem Anspruch (dominanter Löwenfußball!) und trauriger Realität (gravierende Schwächen beim Spielaufbau) dürften eine Rolle spielen. Auswärts tut man sich natürlich leichter, wenn man erst mal dem Gegner den Ball überlässt. „Natürlich wär‘s schöner, wenn wir sagen könnten: Zu Hause sind wir eine Macht“, sagte Julian Guttau nach der Heimpleite gegen Dresden: „Wenn man sagen kann: Wir sind zu Hause stark, dann gehst du mit einer anderen Brust ins Spiel. Ich glaube aber, dass du dir das noch erarbeiten kannst, die Saison ist schließlich noch jung.“
Morgen, im ersten von zwei Wiesn-Heimspielen, sollen die drei Punkte in Giesing bleiben, endlich mal wieder. Die Gelegenheit dazu scheint günstig. Als Aufsteiger ziert Hannover 96 II das Tabellenende, verlor am Sonntag 1:3 gegen Saarbrücken. Aber Vorsicht: Das Auswärts-Gesicht der kleinen 96er kann sich sehen lassen. 1:2 in Aue, 1:0-Sieg in Sandhausen und 1:1 in Osnabrück. Ein Farbtrick könnte helfen: Die Blauen als weißes Ballett – in Ingolstadt und in Bielefeld gab es im Ausweichdress zwei Siege. Wäre schade um das Wiesn-Trikot mit den kleinen Brezn, aber ein Opfer muss gebracht werden, um Platz 19 in der Heimtabelle loszuwerden.
ULI KELLNER