Der Anti-Tuchel

von Redaktion

Das macht FCB-Coach Kompany anders als sein Vorgänger

Musste sich häufig ärgern: Die Spielweise der Bayern unter Thomas Tuchel war oft uninspiriert. © IMAGO

Vincent Kompany zeigt sich leidenschaftlich als Trainer des FC Bayern. © IMAGO

München – Die Bayern machen endlich wieder Spaß. Unter Vincent Kompany spielen die Münchner spektakulären Offensivfußball. Quasi das Gegenstück zu den oft uninspirierten Auftritten unter dessen Vorgänger Thomas Tuchel. In der Retrospektive wirkt es daher nun umso irritierender, dass die Münchner um Sportvorstand Max Eberl vor der Verpflichtung des Belgiers ernsthaft versucht hatten, mit dem früheren Erfolgstrainer des FC Chelsea trotz der titellosen Saison weiterzumachen. Denn nach den ersten Eindrücken der noch jungen Spielzeit ist klar: Kompany ist der Anti-Tuchel – und erinnert teilweise sogar an einen katalanischen Vorgänger.

Spielweise: Beide Trainer setzen auf ein 4-2-3-1-System. Für Tuchel ist laut eigener Aussage „guter Fußball“ immer auch mit „Kontrolle“ verbunden. Dadurch konnten die Feingeister des FCB weniger Risiko gehen. In der Offensive war keine Spielidee zu erkennen, vieles basierte auf Einzelaktionen von Leroy Sané, Jamal Musiala & Co.. Von seinen Innenverteidigern forderte Tuchel schnelle, vertikale Pässe nach vorne.

Kompany setzt hingegen bei gegnerischem Ballbesitz auf hohes Pressing und bei eigenem auf variables Offensivspiel. Die Stars wechseln oft ihre Positionen. Durch taktische Flexibilität versucht Bayern nun auch häufig, Überzahl auf einem Flügel herzustellen. Bestes Beispiel: Joshua Kimmich, der sich als Sechser im eigenen Spielaufbau fallen lässt, nach rechts hinten abkippt und so der eigentliche Außenverteidiger um eine Position nach vorne schiebt.

Eine dominante Spielweise mit geringen Abständen zwischen den Mannschaftsteilen, die extrem intensiv ist und von jedem Star höchste Disziplin erfordert. Mangelt es an der Konzentration, sind die Münchner konteranfällig. Vor allem dann, wenn der Gegner schnell umschaltet und die Abwehrkette der Münchner überspielen kann.

Kommunikation: Zu seiner Anfangszeit wirkte Tuchel noch locker, trat Sané auch mal im Spaß im Training in den Hintern. Einzelgespräche suchte der eigenwillige Coach fast nie. Seine Co-Trainer Zsolt Löw und Anthony Barry waren hingegen die Vertrauenspersonen für die Spieler.

Kompany ist äußerst engagiert und detailliert – damit erinnert er an seinen Förderer Pep Guardiola. Der frühere Verteidiger von Manchester City pusht seine Stars immer im positiven Sinne. Kompanys Arbeiter-Mentalität kommt im Verein gut an.

Persönlichkeit: Tuchel ist sehr überzeugt von seinen eigenen Fähigkeiten. Der Krumberger war als Bayern-Trainer nach außen hin nie diplomatisch unterwegs und hat die Dinge ausgesprochen, wie er sie selbst als richtig empfand. Unabhängig davon, ob er die eigenen Spieler damit schwächte und so für öffentliche Unruhe sorgte.

Bestes Beispiel: die unsägliche Debatte um die „Holding Six“. Davon spricht aktuell keiner mehr in München. Sechser-Neuzugang Joao Palhinha ist derzeit meist Ersatz. Gesetzt sind Joshua Kimmich und Aleksandar Pavlovic, ein Duo, das auch unter Tuchel gemeinsam hätten spielen können, aber nicht durfte.

Kompany ist während seiner Anfangszeit als Bayern-Trainer demütig. Der Belgier stärkt alle eigenen Spieler. Das Motto: Jeder Star im Kader soll sich wertgeschätzt fühlen. Im Gegensatz zu Tuchel fordert Kompany öffentlich auch keine Neuzugänge. Für sein Verhältnis zur Münchner Chefetage ist das von Vorteil.
PHILIPP KESSLER

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