ZUM TAGE

Das bodenständige Kopfball-Ungeheuer

von Redaktion

Popps DFB-Rücktritt

Jede Mannschaft braucht ein Gesicht. Jemanden, an dem sich die Mitspieler orientieren können. Und in den die Fans ihre Sehnsüchte projizieren und mit ihm mitleiden können. Alexandra Popp, gesegnet mit etlichen Titeln und zugleich gezeichnet mit einer Menge Verletzungen, war genau dieses Gesicht für die deutsche Frauen-Nationalmannschaft. Seit sie 2010 – aufmüpfig, frech und noch als Außenverteidigerin – debütierte, war sie eigentlich nicht mehr wegzudenken. Schon damals auffällig war ihr Talent fürs Kopfballspiel. In die Rolle der Anführerin und Kapitänin (seit 2019) ist sie danach peu à peu hineingewachsen.

Wenn Popp jetzt mit 33 Jahren einen Schlussstrich beim DFB zieht, geht ein wichtiger Orientierungsanker verloren. Natürlich werden andere Spielerinnen emporkommen, so ist es immer gewesen. Aber mit Popp (und zuletzt auch Marina Hegering) verlässt eine Generation nach und nach die Bühne, die sich von der um Giulia Gwinn, Lena Oberdorf & Co. in einem wichtigen Punkt unterscheidet. Wer sich vor 15 Jahren dazu entschied, Profi-Fußballerin zu werden, der musste nebenher (im Normalfall) noch arbeiten. Popp begann ihre Ausbildung zur Tierpflegerin zur selben Zeit, als sie 2012 von Duisburg nach Wolfsburg wechselte. Sie war damals 21 Jahre alt und seit zwei Jahren Nationalspielerin. Während heutige Profis sich in einem oft hochprofessionellen Umfeld entwickeln können, lernte Popp im Tierpark Essehof – gelegen zwischen Wolfsburg und Braunschweig – Meerschweinchen das Rückgrat zu brechen, um sie anschließend an Luchse zu verfüttern. Glamour geht anders. Man stelle sich Florian Wirtz oder Jamal Musiala beim täglichen Saubermachen im Affengehege vor. Ein Bild, so schön und absurd zugleich.

Popp hingegen ist die personifizierte Bodenständigkeit. Begonnen hat ihre Karriere beim FC Schwarz-Weiß Silschede 1926 – in einem Ortsteil der Stadt Gevelsberg im Ennepe-Ruhr-Kreis. Allein der Name klingt schon nach roter Asche – und genau so spielt(e) Popp: mit viel Einsatz, Wucht und Willen. Ganz gleich, ob im Sturm, im Mittelfeld oder in der Abwehr. Die Verbindung zu ihren Wurzeln hat Popp nie verloren und das Rampenlicht außerhalb des Rasens lag ihr spätestens nach dem medialen Echo auf die verpatzte Heim-WM 2011 fern. Sie wird es also genießen, wenn sie zukünftig noch weniger im Fokus steht. Schließlich war sie lange genug das DFB-Gesicht.

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