34 Sekunden fehlten: Der Australier Ben O´Connor fuhr auf den zweiten Platz. © Buergy/DPA
Erschöpft und erleichtert: Tadej Pogacar im begehrten Regenbogen-Trikot. © Leanza/DPA
Nach dem Giro und der Tour schnappte sich Pogacar auch den Weltmeister-Titel. © Buergy/DPA
Zürich – Radsport-Legende Eddy Merckx (79) verneigt sich vor Tadej Pogacar. „Es ist offensichtlich, dass er jetzt über mir steht. Ich dachte das schon ein bisschen in meinem Inneren, als ich gesehen hatte, was er bei der letzten Tour de France gemacht hat, aber heute Abend gibt es keinen Zweifel mehr“, sagte Merckx am Sonntag der französischen Sport-Tageszeitung L’Équipe in einem Interview nach dem Sieg Pogacars bei der Straßenrad-Weltmeisterschaft in Zürich.
Der Slowene Pogacar ist der dritte Radprofi nach dem Belgier Merckx (1974) und dem Iren Stephen Roche (1987), der Siege bei zwei großen Landesrundfahrten und der WM in einem Jahr gefeiert hat. „Natürlich kann man die Zeiten nie vergleichen, aber wir haben es hier mit einem unglaublichen Fahrer zu tun“, lobte Merckx. „Ich habe bei einer Weltmeisterschaft nicht 100 Kilometer vor dem Ziel attackiert, aber was er heute geleistet hat, ist unvorstellbar.“ Pogacar attackierte in dem 273,9 Kilometer langen Rennen bereits 100 Kilometer vor dem Ziel und lag am Ende seiner Machtdemonstration 34 Sekunden vor dem Australier Ben O‘Connor.
Pogacar sei „ein riesiger Champion“, der „aus dem Rahmen“ falle, sagte Merckx. Am Ende seiner irrwitzigen 100-Kilometer-Flucht schlug selbst Pogacar die Hände ungläubig vor das Gesicht und feierte sich selbst als neuen Weltmeister. Der 26-Jährige war am Ufer des Zürichsees am Ziel seiner Träume, hatte endlich das begehrte Regenbogentrikot. Sichtlich erschöpft und erleichtert fiel er seiner Freundin Urska Zigart in die Arme. Zigart war übrigens auch dafür verantwortlich, dass der Ausnahmekönner überhaupt am Start war. „Wir mussten ziemlich früh aufstehen und das liegt mir nicht so“, berichtete Pogacar. „Ich hatte mir drei Wecker gestellt. Den ersten habe ich ausgemacht und einfach weitergeschlafen. Dann hat mich Urska aber zum Glück geweckt“, sagte Pogacar. Es folgte ein Tag für die Geschichtsbücher. „Es war vielleicht eine dumme Attacke, aber ich habe einfach nicht aufgegeben. Wir hatten eigentlich geplant, das Rennen zu kontrollieren. Ich weiß nicht, was ich gedacht habe.“
Pogacar hatte bereits beim Giro d‘Italia und der Tour de France triumphiert. In Zürich hatte er exakt 100,7 Kilometer vor dem Ziel genug und setzte auf der viertletzten Runde an der bis zu 17 Prozent steilen Zürichbergstraße die entscheidende Attacke. So früh hatte nahezu niemand mit einem Angriff gerechnet und die Skepsis blieb. „Nach allen Gesetzen der Wahrscheinlichkeit kann das einfach nicht funktionieren. Er hat zu früh zu viel Energie investiert“, befand Ex-Profi Jens Voigt.
Immerhin räumte Pogacar ein, dass er bei seiner absurd langen Flucht am Ende am Limit war. „Ich war komplett leer. Ich habe schon überkreuz gesehen“, sagte der Weltmeister. Auf der letzten Runde war die Konkurrenz bis auf 35 Sekunden an ihn herangefahren, doch Pogacar ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen: „Ich hatte gute Informationen über die Abstände. Auf der letzten Runde ist jeder müde.“
Pogacar hat mit seinen 26 Jahren dagegen noch viel vor sich – vor allem Siege und noch mehr Dominanz, wenn man der Konkurrenz glaubt. „Das ist erst der Anfang. Er ist stärker denn je“, sagte der entthronte Weltmeister Mathieu van der Poel. Der Niederländer unterstrich die Popularität von Pogacar: „Jeder ist froh, dass er Weltmeister ist. Er ist der Beste. Er wird ein würdiger Weltmeister sein.“
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