Ein wegweisendes Tor: Taro Hirose vom EHC München überwand den Straubinger Keeper Zane McIntyre kurz vor Ende des ersten Drittels zum 2:1. Am Ende gewann der EHC 6:2. © Red Bull/City-Press
München – Gäbe es die Regel, die die Deutsche Eishockey Liga (DEL) in den Corona-Jahren führte, noch, stünde der EHC Red Bull München jetzt an der Spitze der Tabelle – obwohl er ein Spiel weniger bestritten hat als die meisten anderen Clubs. Weil während der Pandemie nicht gesichert war, dass das Programm der Liga komplett stattfinden könnte, galt nicht die Anzahl der Punkte, sondern der Schnitt, der Punktequotient. In dem käme der EHC auf 3,00 Zähler pro Auftritt, das Maximum. Als einziges Team. Dabei sind die Münchner – weil sie auf Fertigstellung und Einweihung der eigenen Halle warteten – bislang nur auswärts angetreten. Sie gewannen in Iserlohn, Frankfurt – okay, zwei Clubs, die in der vergangenen Saison im Abstiegskampf steckten. Aber am Sonntag entschied der EHC eine Partie an einem für ihn komplizierten Standort für sich. In Straubing. Das 6:2 (2:1, 2:1, 2:0) war eine Ansage.
Nun lautet die Frage: Waren die Münchner so stark, dass sie den Niederbayern keine Chance ließen – oder schwächelten die Tigers, die als klug verstärkte Spitzenmannschaft gelten und kürzlich in der Champions Hockey League den tschechischen Meister Pardubice und den schwedischen Top-Club Skelleftea geschlagen haben? Die Wahrnehmung der Straubinger ist: Sie sind in eine schwere Krise geraten. Marcel Brandt, Verteidiger und Nationalspieler: „Ich sehe eine komplett andere Mannschaft als in den ersten Wochen. Ein No-go, eine Katastrophe, so aufzutreten. Wir laufen wenig, gehen nicht auf den Körper. Wir müssen uns um 500 Prozent steigern, sonst gewinnen wir in der DEL kein Spiel mehr.“ Worte, die natürlich im Affekt gesprochen wurden – so dramatisch wird die Lage trotz Platz zwölf in Straubing schon nicht sein.
Jedenfalls gingen die Tigers im nieder-oberbayerischen Duell so unter, weil zwei Münchner Spieler einen Glanztag erwischten. Chris DeSousa erzielte drei Treffer, Taro Hirose, der als Ersatz für den langzeitverletzten Trevor Parkes verpflichtet wurde, einen, zu dreien gab er den Assist. Auch Maxi Kastner (ein Tor, eine Vorlage) verzeichnete ein „Multiple point game“. Lieber ist es den Trainern, wenn sich die Scorerpunkte über möglichst viele Reihen verteilen – doch dass der EHC in Straubing von einigen Ausreißern profitierte, ist erst einmal zweitrangig. Nach schwacher Vorbereitung und mit dem ganzen Brimborium um den SAP Garden wird der perfekte Start gerne angenommen.
Das 0:5 gegen die Buffalo Sabres im Eröffnungsspiel am Freitag hat keinen Schaden hinterlassen. „Die Erfahrung daraus hat uns geholfen, besser zu spielen“, sagte Taro Hirose in Straubing. So wie die Münchner gegen die Profis aus der NHL immer einen Schritt weit weg waren, erwiesen sie sich gegen den DEL-Kontrahenten als den einen Schritt voraus. Der EHC war Straubings Buffalo. Veit Oswald, im Sommer im Development Camp der Toronto Maple Leafs gewesen, war nach dem Spiel gegen die Sabres noch motivierter als sonst. „Ich muss körperlich stärker werden, um die Zweikämpfe zu gewinnen“, leitete der 20-Jährige aus der Begegnung ab. Zwei Tage später in Straubing spielte er sehr durchsetzungsfähig.
Am Mittwoch (19.30 Uhr) beginnt gegen die Grizzlys Wolfsburg die Serie von drei Spielen im SAP Garden. Wolfsburg, häufiger Münchner Gegner in den Playoffs, ist verhalten in die Saison gestartet (zwei Siege, zwei Niederlagen). Meister Eisbären Berlin, der am Freitag in München gastiert, erlebte am Wochenende mit einer Heimniederlage gegen Augsburg (2:6) und einem verlorenen Penaltyschießen in Schwenningen einen Einbruch. Die Kölner Haie (kommen am Sonntag, 16.30 Uhr) laufen den hohen Erwartungen hinterher. Am Sonntag gaben sie in Augsburg eine 6:3-Führung aus der Hand, verloren in der Verlängerung.
Bis der Garden sich wie das Wohnzimmer anfühlt, „das wird noch ein bisschen dauern“, meint EHC-Trainer Toni Söderholm, „aber wir befinden uns in einem Modus, dass wir für den Alltag bereit sind“.
GÜNTER KLEIN