ZUM TAGE

Torjäger – ein Job für alte Männer

von Redaktion

DFB-Debütant mit zarten um die 30

Aus der Nationalmannschaft früherer Tage gibt es die Anekdote, dass frisch berufene Spieler die alteingesessenen erst einmal mit Herr und Sie ansprachen. Heutzutage muss es andersrum laufen: Da betreten in regelmäßigen Abständen gestandene Männer, die das Fußballerleben gezeichnet hat, die DFB-Kabine – und nun müssten die bereits etablierteren Jung-Spieler wie Florian Wirtz und Jamal Musiala überlegen: Wie geht man mit einem Neuling um, der schon um die 30 ist?

Der Zuwachs, den die DFB-Auswahl in den vergangenen Jahren erfuhr, kam aus der Alterskohorte Übergang vom dritten ins vierte Lebensjahrzehnt. Niclas Füllkrug – vor der WM in Katar erstmals berufen mit 29. Danach: Kevin Behrens, 31. Marvin Ducksch, 29. Jetzt wird Tim Kleindienst eingeladen, mit 29. Deniz Undav, auch noch recht frisch, stieg mit 27 ein. Auffällige Gemeinsamkeit: Sie alle sind von Beruf Torjäger.

Und: Sie haben, was man krumme Karrieren nennt. In der Jugend wurde ihr Talent zwar wahrgenommen, doch im Erwachsenenbereich lief es nicht so, wie man es sich in seiner Fußballvereinsbettwäsche erträumt. Füllkrug, Ducksch, Behrens, Kleindienst, sie haben in der 2. Liga spielen müssen, ehe sie (wieder) für einen Erstligisten interessant wurden oder mit ihren Clubs Bremen und Heidenheim aufstiegen. Undavs Spur führt gar ins legendäre Meppen, näher am Hobby- als am Profibereich.

Warum ist das so? Es mag an den Spielern selbst liegen, wenn ihre Entwicklung erst spät einsetzt, einer wie Undav hat sicher nicht immer im klassischen Sinn „für den Sport gelebt“ (ihm hat‘s halt einfach geschmeckt). Doch auch das System, das sich im deutschen Profifußball etabliert hat, trägt daran eine Schuld. Man setzt auf gut ausgebildeten Nachwuchs aus Frankreich und England, die eine schöne Gewinnmarge versprechen, wenn sie weiterverkauft werden.

Allerdings ist es auch so, dass die großen deutschen Sturmtalente enttäuscht haben. Von Davie Selkes Überlegenheit aus den U-Tagen ist im Männerbereich nichts übrig geblieben, Fiete Arp, einst vorgesehen, der neue Uwe Seeler zu sein, brach in Hamburg und bei den Bayern unter der Last der Erwartungen zusammen. Youssoufa Moukoko ist zwar immer noch erst 19, doch in seinen drei Profijahren ist aber wenig vorangegangen. U17-Weltmeister Paris Brunner (18) hat den Einstieg erst mal verpasst.

Davie Selke übrigens ist jetzt 29, er spielt in der 2. Liga beim HSV. In anderen Worten: Die Nationalmannschaft ist zum Greifen nah. Guenter.Klein@ovb.net

Artikel 1 von 11