Sechs Spieltage, zwölf Gegentore – bei wem findet sich diese Schießbudenbilanz? Das kleine Bundesliga-Rätsel aufgelöst: Bayer Leverkusen ist es, der Meister, der sich in dieser Saison derart verlässlich ausspielen lässt. Wenn das so weitergeht, wird er nach zwölf Runden bereits so viele Treffer gefressen haben wie im gesamten Triumphjahr 23/24. Und hält sich der Schnitt von zwei Einschlägen im eigenen Netz, wird Leverkusen die Liga 24/25 mit xx:68 Toren abschließen. Nur Relegations-Club VfL Bochum und die als Absteiger endenden Darmstädter erlebten noch heftigere Turbulenzen, sogar der damalige 1. FC Köln stand stabiler als das heutige Bayer.
Kann man das erklären? Versuchen wir‘s. Ein Grund könnte sein: Bayer 04 will seine Geschichte nicht verwalten, sondern fortschreiben. Dafür sind sie alle geblieben, der Trainer Xabi Alonso und die umworbenen Spieler: Sie wollen noch mehr Spektakel liefern, international sogar noch eine Etage höher, in der Champions statt der Europa League. Dann dürfen sie vorne nicht so einbrechen wie zum Ausklang der vorigen Saison gegen Atalanta Bergamo. Jedenfalls: Es ist nach wie vor schön, wenn Leverkusen angreift (gegen die Bayern hat es das leider unterlassen, weil es wirklich mal überpragmatisch ans Verteidigen gedacht hat), das ging auch am Samstag gegen Kiel locker von der Hand. Auch in der Nachspielzeit verloren Wirtz. Grimaldo und Xhaka nicht den Kopf, sondern suchten die spielerische Lösung. Doch Glück ist eine endliche Ressource, und irgendwann fügt sich halt nicht mehr alles so wie zuvor. In seiner personellen Planung hat Bayer Leverkusen nichts falsch gemacht, gleichwohl kann die Bilanz nur schlechter werden. Damit muss man im Kopf erst mal klarkommen. Bayer erlebt zweifelsohne einen leichten Meisterblues.
Und vielleicht bietet die Bundesliga auch wieder etwas mehr Romantik – in Gestalt kleinerer Vereine, die wehrhaft sind. Der mutmaßliche Asterix-Leser Lewis Holtby, der für Holstein Kiel spielt, nennt seine Mannschaft „kleine Gallier“, was geografisch gewagt ist, aber die Haltung gut beschreibt. Die Freibeuter vom FC St. Pauli haben vor einer Woche in Freiburg einen rausgehauen – und irgendwann treffen sie ja auf Dortmund, das auch nach der jüngsten Einkaufstour durch noble Shoppingtempel an der Schwelle zu den kleinen Läden stolpert. Die Bundesliga 2024/25 – gar nicht so unspannend. Guenter.Klein@ovb.net