Der neue Bayern-Trainer Vincent Kompany macht vieles richtig. Seine offensive Spielidee sorgt nicht nur für Offensivspektakel, die dominante Spielweise passt dabei auch perfekt zum Anspruch des Rekordmeisters. Jeder Gegner soll spielerisch erdrückt werden, am besten schießt man dabei vier, fünf oder sogar neun Tore.
Entscheidend ist dabei das Selbstverständnis, das sich in dieser Saison gewandelt hat. Vorgänger Thomas Tuchel passte sein Team regelmäßig dem Gegner an, im Spitzenspiel gegen Leverkusen ließ er im Februar beispielsweise eine Fünferkette auflaufen, das Spiel ging mit 0:3 verloren. Kompany und der gesamte Verein verkünden in dieser Spielzeit nun stolz, von der eigenen Herangehensweise nicht abrücken zu wollen, auch nach einer Woche, in der in zwei von drei Spielen gegnerische – und vermeidbare –Konter zu Punktverlusten führten. Von Änderungen an der Taktik will trotzdem niemand etwas hören.
Dieses Selbstbewusstsein mag ins Mia-san-mia-Verständnis des Rekordmeisters passen und zeugt von großem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Es birgt aber auch die Gefahr, sich an der eigenen Spielstärke zu berauschen und überheblich zu werden. Anpassungen an den Gegner sind kein Zeichen von Schwäche, sondern normale Vorgänge in der Spielvorbereitung eines Fußballvereins. Es macht einen Unterschied, ob der FCB auf Holstein Kiel oder Real Madrid trifft – wenn dem nicht so wäre, könnte jeder Coach Ende August seinen Verein verlassen und vorher exakt eine Taktik ausarbeiten, mit der sein Team bis zum Saisonende durchhalten muss.
Das ist logischerweise auch in München nicht der Fall, trotzdem darf und sollte über die Frage nachgedacht werden, ob in zukünftigen Topspielen nicht mehr Absicherung auf Kosten von weniger Dominanz angebracht ist. Dem eigenen Selbstverständnis sollte dadurch kein Zacken aus der Krone brechen. Denn auch, wenn der Münchner Angriff bisher für mehr als genug Treffer sorgt und etwaige Gegentore in den meisten Fällen auffangen kann, spielt Kompany langfristig mit dem Feuer. Ob daraus ein Offensivfeuerwerk wird oder er sich die Finger verbrennt, werden die folgenden Spitzenspiele zeigen. Stuttgart mit dem Taktikfuchs Sebastian Hoeneß und Barcelona mit Hansi Flick dürften sich jedenfalls gerne an das hochriskante Münchner System anpassen und auf Konter warten.