Skandal im Eiskanal

von Redaktion

Anschieber-Klau? Lochner zu „unverschämtem“ Friedrich: „Kriegt er zurück“

Begehrt: Georg Fleischhauer, einer der besten Anschieber Deutschlands. © IMAGO

Ziemlich beste Freunde? Von wegen! Lochner will Friedrich den Groll spüren lassen – auf und neben der Bahn. © dpa

München – Die Mitteilung, die der internationale Bob- und Rodelverband IBSF letzte Woche herausgab, kam recht unscheinbar daher. Neun Zeilen liefen unter der Überschrift „Bobpilot Lochner bis Cortina 2026 an den Lenkseilen“; ein paar Fakten, ein kurzes Zitat, ein Hinweis auf die größten Erfolge – das war‘s. Dabei steckt hinter der Randnotiz auf der Verbands-Homepage Stoff, der für eine ganze Seifenoper reichen würde. In den Hauptrollen: Johannes Lochner, Bobweltmeister von 2023, und Francesco Friedrich, Bobweltmeister von 2024. In der Nebenrolle: Georg Fleischhauer, seines Zeichens einer der besten Anschieber Deutschlands.

Allein die Worte, mit denen Johannes Lochner das Gespräch mit unserer Zeitung beginnt, sprechen Bände. „Man sollte mich nie ärgern“, sagt der 33-Jährige – und beschreibt damit den Gemütszustand, der ihn in den vergangenen Monaten begleitet hat. Der Sommer war noch nicht da, die Entscheidung über die Fortsetzung der Karriere noch nicht gefällt, da war Lochners Anschieber Fleischhauer an ihn herangetreten und hatte das platzen lassen, was Lochner „Bombe“ nennt. Denn tatsächlich hatte Fleischhauer – obwohl zwischen den beiden deutschen Top-Piloten stillschweigend vereinbart wurde, sich niemals gegenseitig Anschieber abzuwerben – ein Angebot aus dem Team Friedrich erhalten. Der 35-Jährige ging offen mit dem Anruf aus Sachsen um, aber Lochner war freilich stinksauer. Nicht auf seinen Gold-Anschieber von 2023, sondern auf Friedrich. Und der soll den Groll des Berchtesgadeners nun bis zu den Olympischen Spielen 2026 spüren.

Der Verband wollte nicht vermitteln, direkten Kontakt zu Friedrich hat es seitdem nicht gegeben. Aber Lochner gibt nun öffentliche Kampfansagen heraus. „Er hat sich einen Schiefer eingezogen, das kriegt er zurück“, sagt der Olympiazweite von 2022 und kündigt bereits für den Weltcup-Auftakt in Altenberg „die erste Retoure-Kutsche“ an. Dass er noch zwei Jahre dranhängt und seine dritte Olympia-Teilnahme anpeilt, war vor Friedrichs Tabubruch nicht klar gewesen. Nun aber sagt Lochner aus voller Überzeugung: „Das war ein Wachrüttler. Ich bin topmotiviert und so schnell wie nie.“ Zudem konnte er genug Sponsoren an Land ziehen, um für den wichtigsten Fakt zu sorgen: „Fleischhauer bleibt.“

Dafür ist er in den letzten Monaten Klinkenputzen gegangen. Eine Hauptfläche auf dem Bob ist noch frei, das Geld aber reicht, um Material, Team und vor allem den besten Mann zu bezahlen. „Zäh“ sei das Business seit der Corona-Pandemie, erzählt Lochner, als Bobpilot ist man Kleinunternehmer. Ohne Geld, kein Sport, „es wäre zu Ende gewesen“. Zig gute Gespräche und eine „Krisen-Familiensitzung“ mit seiner schwangeren Frau Hannah später aber war die Entscheidung gefallen. Seitdem gibt Lochner Vollgas: „In den letzten zwei Wintern bin ich quasi ohne Training vorne mitgefahren. Aber nochmal Zweiter werden – das schaue ich mir nicht an.“

Auch diese Worte gelten Friedrich, der den vakanten Platz nun anderweitig gefüllt hat. Neu im Team ist Sprinter Simon Wulff, den Bundestrainer Rene Spies als „absoluten Ausnahmeathleten“ bezeichnet. 2.02 Meter groß, ultraschnell, aber Lochner sagt: „Der ist halt noch nie Bob gefahren.“ Ob das gelingt, wird sich ab 1. November zeigen.

Drei Wochen noch, dann gehen die Piloten aufs Eis. Da die Bahn am Königssee noch nicht wieder steht, findet die Vorbereitung in Winterberg und Altenberg statt. Dort werden die ersten Marken gesetzt. Und vor allem gibt es: ein Wiedersehen. Dass Friedrich „unverschämt“ war, will Lochner ihn spüren lassen.
HANNA RAIF

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