Daniz Undav mit Müllsack bei seiner Ankunft beim DFB in Herzogenaurach. © DFB/Instagram
Gute Laune beim Interviewtermin: Der DFB-Angreifer mit Reporter Bonke.
„Ich habe überall getroffen, wo ich war. Das gibt mir eine Art Genugtuung“: Undav über seinen DFB-Premierentreffer gegen die Niederlande. © IMAGO
München – Deniz Undav hat wohl den ungewöhnlichsten Karriereweg aller Nationalspieler hinter sich. Der Angreifer des VfB Stuttgart wurde in der Jugend bei Werder Bremen aussortiert, ging zwischenzeitlich beim TSV Havelse in der Regionalliga auf Torejagd und schaffte über Braunschweig, Meppen, Union SG (Belgien) und Brighton (England) den Sprung in die Bundesliga und die Nationalmannschaft. Im Interview erzählt er seine Geschichte.
Herr Undav, Sie sind mit einer Mülltüte zur Nationalmannschaft angereist und haben damit für Aufsehen gesorgt.
Ich habe den Müllsack von einem Betreuer aus Stuttgart bekommen, weil ich meine Fußball- und Laufschuhe damit transportiert habe. Die stinken nämlich und daher habe ich die nicht gerne in meiner Tasche (lacht). Dass das so viral geht, hätte ich nicht gedacht. Immer bodenständig bleiben!
Was ist Luxus für Sie?
Zeit mit der Familie! Meine Tochter aufwachsen sehen! Und auch mal schön in den Urlaub fahren. Das Wichtigste für mich ist, dass jeder in meiner Familie gesund bleibt, mehr braucht man in Leben nicht! Natürlich kann ich mir im Urlaub auch mal was gönnen. Aber viele der klassischen Luxusartikel besitze ich nicht. Ich habe vielleicht eine Tasche und zwei Uhren. Ansonsten trage ich seit acht Jahren die gleichen Klamotten und habe nur neue Kleidung im Schrank, wenn ich sie zugeschickt bekomme, zum Beispiel von meinem Ausrüster Adidas. Ich gehe nicht gerne einkaufen zu Louis Vuitton oder sonst was. Da bin ich kein großer Fan davon.
Vor ein paar Jahren haben Sie noch in der Regionalliga gespielt. Jetzt treffen Sie für die deutsche Nationalmannschaft oder für den VfB gegen Real Madrid. Müssen Sie sich manchmal kneifen?
Den Moment hatte ich noch nicht. Ich habe schon damals gesagt: Egal, wo ich spielen werde, ich werde immer meine Tore machen. Da wurde ich schon belächelt. Aber jetzt habe ich es geschafft, mein erstes Tor für die Nationalmannschaft zu erzielen und danach in Santiago Bernabeu. Ich habe überall getroffen, wo ich war. Das gibt mir eine Art Genugtuung.
Zwischenzeitlich haben Sie eine Lehre als Maschinenführer gemacht.
Das hat mich ebenfalls geprägt. Während der Ausbildung musste ich um 4.30 Uhr aufstehen, bin dann mit dem Bus zu einer Haltestelle gefahren – und musste von dort dann aber noch 45 Minuten zu Fuß zur Arbeit gehen. Den gleichen Weg musste ich nach der Arbeit um 14.30 Uhr natürlich nochmal gehen. Mit dem Bus bin ich dann aber direkt ins Training gefahren, habe mir zwischenzeitlich einen Döner oder Nudeln geholt. Dann bin ich ins Training gegangen, war um 21 Uhr zu Hause, habe eine Stunde entspannt und bin schlafen gegangen. Und das ganze habe ich zwei Jahre durchgezogen. Soll ich Ihnen etwas verraten?
Bitte!
Wenn ich von der Bushaltestellte zur Arbeit bin, sind immer so viele Leute an mir vorbei gefahren – und es hat mich nie einer mitgenommen. Da habe ich mir gedacht: Wie kann man so sein? Wenn ich wüsste, da marschiert ein Kollege, würde ich immer anhalten. Der hätte ja nicht mal mit mir reden müssen. Der Weg mit dem Auto dauert nur fünf Minuten. Doch sie sind immer an mir vorbeigefahren und da denkst du dir – vor allem im Winter – schon: Bitte, halt doch einfach an. Ich könnte das nicht. Den muss ich doch mitnehmen! Ich bin gefühlt gezwungen, den mitzunehmen!
Das erklärt Ihre Einstellung als absoluter Teamplayer. Die ist für die Nationalmannschaft natürlich Gold wert. Sehen Sie sich als eine Art Integrationsbeauftragter – wie es Thomas Müller beim DFB immer war?
Ich habe nicht die gleiche Rolle wie Thomas, aber ich bin ähnlich offen – nur mit einem anderen Slang (lacht). Mir ist es wichtig, den neuen Spielern zu vermitteln, dass wir eine Mannschaft sind – egal wer kommt. Da versuche ich, meinen Part beizutragen. Das habe ich bei Thomas während der EM gut beobachten können. Natürlich merkt man, dass er jetzt weg ist, weil nur noch einer viel redet.
Radio Müller wird zu Radio Undav!
Radio Undav, genau! Das mögen die Spieler an mir. Egal ob ich mit Joshua Kimmich als Kapitän oder Jamie Leweling als Neuling quatsche – ich mache die gleichen Witze. Ich glaube, ich habe da einen guten Mix. Ich bin nur am Sprüche klopfen und hoffe, dass wir gute Stimmung habe. Weil ich weiß, dass ein gutes Teamgefüge sehr wichtig ist.
INTERVIEW: MANUEL BONKE