Klopps Energieschub

von Redaktion

Auszeit beendet: Trainerstar wird Fußballchef bei Red Bull

Neues Zuhause: Die Red Bull-Akademie in Salzburg. © Hangen

Entspannt als Tourist in Paris: Klopp mit dem Bundespräsidenten-Ehepaar Steinmeier. © IMAGO

Liverpool war für Jürgen Klopp immer eine Herzensangelegenheit: Gilt das noch, wenn er sich der Red-Bull-Idee verschreibt? © AFP

München – Am 26. Januar sprach Jürgen Klopp in Liverpool einen Satz in die Kamera des Vereins-Fernsehens, der ihn seitdem begleitet – und der nun auf ihn zurückfällt. „I‘m running out of energy“ – das ehrlich wirkende Bekenntnis eines Fußball-Trainers, der bemerkt, wie sein Job ihn von innen auffrisst. In den folgenden Monaten ließ Jürgen Klopp (57) es zu, dass der Eindruck sich verfestigte, er würde seinen Beruf womöglich gar nicht mehr ausüben wollen und der Rest seines Lebens ein langes Sabbatjahr werden. Er sprach von Freiheit, von Mallorca, er war als Sportfan bei den Olympischen Spielen in Paris, er besuchte die alten Kumpel in Dortmund – und nun, am Morgen des 9. Oktober, die Nachricht, die alles verändert.

„I‘m running out of energy“ – und es ist, als würde „Kloppo“ von der Seite eine Dose Energydrink gereicht. Red Bull, das für sich wirbt, es würde Flügel verleihen. Der österreichische Getränkekonzern, der vielfältige Sportaktivitäten betreibt, um die Marke zu propagieren – das Geschäftsmodell ist auch höchst erfolgreich –, hat Jürgen Klopp verpflichtet. Zum 1. Januar 2025 wird Klopp bei Red Bull „Head of Global Soccer“. Das ist ein Coup, weil Klopp für all das steht, was „den Dosen“, wie Fans gerne plakativ den Anbieter aus Fuschl am See nennen, fehlt: Authentizität, Fußballromantik, Traditionsverbundenheit, menschliche Wärme. Entsprechend stark sind die Schockwellen, die vor allem durch Deutschland rauschen. Es stellt sich so dar: Ohne Not bricht Jürgen Klopp mit seinen Werten. Er hat laut Sky eine Ausstiegsklausel ausverhandelt mit Red Bull für den Fall, dass er deutscher Bundestrainer werden kann. Doch kann er jetzt noch die Lösung sein, die vor Kurzem als die ideale angesehen wurde?

Schon als der heutige Sportvorstand des FC Bayern, Max Eberl, in der Red-Bull-Dependance Leipzig anheuerte, herrschten in Fankreisen Empörung und Verstörung. Auch Eberl galt als einer, der sich nicht kaufen lassen würde von einem Unternehmen, das nie einen Hehl daraus gemacht hatte, dass die Präsenz im Sport lediglich eine Marketingmaßnahme für den Vertrieb des Getränks ist. Zudem hatte Eberl als Mönchengladbach-Repräsentant einige knackige Aussagen in Richtung Red Bull getätigt. Bei Jürgen Klopp gibt es diese Beweislast einer Aversion gegen das „Konstrukt“ allerdings nicht.

Die Bild hat ein zwei Jahre altes Video aus den Tiefen des Internet gehoben, in dem Klopp sich verständnisvoll zu Leipzig äußert: „Ich weiß, wie sehr die Idee Rasenballsport Leipzig bei Traditionalisten in der Kritik steht – und ich bin auch einer. Nur finde ich, dass Leipzig keinem Traditionsverein irgendwas weggenommen hat, sondern einfach einen neuen Weg gegangen ist. Ganz am Anfang in der vierten, dritten Liga mag Geld eine Rolle gespielt haben. Heute hat Leipzig keinen Deut Geld mehr als andere Bundesligavereine. Sie qualiifizieren sich für die Champions League, also haben sie mehr Geld zur Verfügung. Das ganze Prinzip ist, junge Spieler aufzubauen. Die ganze Idee ist eine Fußballidee, nicht eine Geldidee.“

Daran schließt seine Begründung an, mit der er Head of Global Soccer wird, eine Stelle, die früher der heutige Österreich-Teamchef Ralf Rangnick (allerdings auch der als Funktionär glücklose Dietmar Beiersdorfer) innehatte. Klopp wird eine Art Supervisor für die Red-Bull-Clubs in Deutschland, Österreich, USA, Brasilien, Japan. „Mit meinem Einstieg bei Red Bull auf globaler Ebene möchte ich die unglaublichen Fußballtalente, die uns zur Verfügung stehen, entwickeln, verbessern und unterstützen. Gemeinsam können wir entdecken, was möglich ist… Das könnte mich nicht mehr begeistern.“ Klopp ist schon voll drin im „Wir“ und im Marketingsprech.

Trotzdem ist die neue Verbindung höchst problematisch.

In Deutschland steht Klopp für Borussia Dortmund. Nun dient er dem in BVB-Kreisen verachteten Leipzig.

In England hat Klopp den Status eines Liverpooler Säulenheiligen. Doch Red Bull ist bei Leeds United eingestiegen. Sein Versprechen, es gäbe auf der Insel nichts anderes als Liverpool, bricht Klopp.

Kürzlich erklärte Klopp noch, politisch eher links zu stehen. Red Bull betreibt den rechtspopulistischen Sender Servus TV, in dem selbst der Identitäre Martin Sellner eine Plattform bekam.

Und hatte Klopp nicht ausgeschlossen, schnell wieder zurück zu sein im Fußballgeschäft?

Jedenfalls: Sein Energieschub ist irritierend.
GÜNTER KLEIN

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