Beweglicher Stürmer: Noel Niemann bei einem Spiel mit dem VfL Osnabrück gegen den TSV 1860 (hier eng bewacht von Jesper Verlaat und Ex-Löwe Philipp Steinhart). © Imago
München – Beim TSV 1860 machte er seine ersten Spiele als Profi, mit Osnabrück stieg er 2023 in die 2. Liga auf. Für seine erst 24 Jahre hat Noel Niemann schon viel erlebt; aktuell steht er beim türkischen Zweitligisten Igdır FK unter Vertrag – und wird heute am Livestream das Löwen-Heimspiel gegen den VfL verfolgen (19 Uhr). Am Telefon nahm sich der Offensivspieler Zeit für ein Interview.
Herr Niemann, im Sommer begann für Sie ein neues Abenteuer: Igdır FK – zweite türkische Liga. Wie kam der Wechsel zustande?
Mit Osnabrück bin ich im Sommer in die 3. Liga abgestiegen, dann kam die Anfrage aus Igdır. Der Club hat einen super Eindruck gemacht auf mich, will um den Aufstieg in die erste türkische Liga mitspielen. Eine Chance, die ich so in meiner Karriere noch nicht hatte. Darauf hatte ich Bock.
Sie leben seit Anfang August in der Türkei. Wo liegen die Unterschiede im Vergleich zu Deutschland?
Man erlebt teilweise viel Armut und lernt dadurch, es wertzuschätzen, welche Zustände wir in Deutschland haben. Die Menschen, die von der Armut betroffen sind, kann man mit zwei oder drei Euro extrem glücklich machen. Das ist schön zu sehen. Auch fußballerisch gibt es Unterschiede.
Und zwar?
Die Türken sind im Vergleich zu den Deutschen viel emotionaler. Hier wird aggressiver gespielt und trainiert, der Fußball ist weniger taktisch geprägt. Prinzipiell wird das Niveau hier oftmals erheblich unterschätzt.
Sie sind gebürtiger Münchner, haben drei Jahre lang für den TSV 1860 gespielt, sind dort zum Profi geworden. 2020 folgte der Wechsel zum damaligen Bundesligisten Arminia Bielefeld…
Auf der einen Seite wäre ich gerne bei den Löwen geblieben, habe Familie und Freunde in München. Auf der anderen Seite habe ich als junger Kerl die Chance bekommen, mich möglicherweise in der Bundesliga zu zeigen. Diese nicht zu ergreifen und es zu versuchen, hätte ich mir nie verzeihen können.
Nach einigen Leihen, u.a. zu Türkgücü, folgte der Wechsel nach Osnabrück, wo sie 2023 in die 2. Liga aufstiegen. Der bisherige Karriere-Höhepunkt?
Ich hatte mit Tobias Schweinsteiger einen super Trainer, der auf mich gesetzt hat. Im Winter waren wir im Abstiegskampf. Danach haben wir fast alle Spiele gewonnen, waren in der Rückrunde im Flow. Dann noch der Aufstieg in der 96. Minute – das war mit der schönste Tag in meinem Leben. Ich bin einer derjenigen, der sich im Anschluss auch „90+6“ tätowiert hat.
Am Mittwochabend treffen 1860 und Osnabrück in der 3. Liga aufeinander. Zu wem halten Sie?
Schwierig. Mein erster Gedanke ist: Da würde ich auch gerne spielen.
Auf welcher Seite?
Wieder schwierig (lacht). Ich kann mich nicht entscheiden.
Sie sind jetzt 24, haben bereits viel erlebt. Wie sollen die nächsten Jahre bei Ihnen aussehen?
Der Aufstieg hier in die Süper Lig (Igdır steht derzeit auf Rang fünf/Red.) wäre natürlich der Wahnsinn. Dann geht es gegen Teams wie Fenerbahçe und Galatasaray. In solchen Stadien will man spielen. Vielleicht komme ich irgendwann auch nach Deutschland zurück.
Zu den Löwen?
Im Fußball soll man niemals nie sagen. Ich liebe 1860 München und wenn sich die Möglichkeit irgendwann ergibt – wer weiß? Im Moment bin ich aber sehr zufrieden in der Türkei und konzentriere mich ausschließlich darauf, das absolute Maximum mit Igdır FK zu erreichen.