Start schon am Wochenende in Sölden? Hirscher pokert noch. © Instagram
Fünffacher Gesamtweltcup-Sieger: Marc Girardelli. © IMAGO/Mailer
Ein Brasilianer und ein Holländer auf der Piste: Braathen und Hirscher. © Instagram
Wenn jemand weiß, wie es sich anfühlt, als Österreicher für ein anderes Land im Ski-Weltcup zu starten, dann ist das Marc Girardelli. Der heute 61-Jährige war nur als Kind ein „Österreicher“, mit 13 Jahren wechselte er zum luxemburgischen Verband und holte in seiner Karriere fünfmal den Gesamtweltcup. Unsere Zeitung hat mit ihm vor dem Auftakt am Wochenende in Sölden über die Rückkehr von Marcel Hirscher als Holländer (sein Sölden-Start ist noch offen) und den umstrittenen FIS-Präsidenten Johan Eliasch gesprochen.
Herr Girardelli, gibt es für Sie ein spannenderes Thema als die Rückkehr von Marcel Hirscher?
Nein, alle reden darüber und fragen sich, was er leisten kann. Er ist jetzt 35 Jahre alt und nicht mehr 30, und fünf Jahre sind fünf Jahre. Aber ich glaube, dass die Top-10 locker drin sind, ob es aber bis zum Podium reicht, daran zweifle ich noch.
Falls nicht, wäre das Comeback dann eine Enttäuschung?
Für mich nicht. Dass Marcel wieder fährt, ist eine super Werbung für unseren Sport und den Weltcup. Holland ist ein wichtiges Tourismusland. Je mehr Leute sich von Marcel und seinem Projekt davon angesprochen fühlen, desto besser. Das Gleiche gilt für den Norweger Lucas Braathen, der für Brasilien, das Land seiner Mutter, zurückkommt. Brasilien hat über 200 Millionen Einwohner, wenn sich durch Braathen nur ein Promille für das Skifahren interessiert, ist das ein großer Erfolg für die FIS.
Marcel hat zuletzt tief gestapelt. Ihm würden noch vier Sekunden zur Spitze fehlen. Glauben Sie das?
Ich habe gehört, dass er auf dem Niveau von Henrik Kristoffersen ist. Das war in der vergangenen Saison gleichbedeutend mit zwei Podestplätzen. Mehr war nicht drin, weil das Material (Hirschers eigener Ski Van Deer, Anm. d. Red.) nicht immer mitgespielt hat. In den schnellen Disziplinen könnte ich mir vorstellen, dass sein Rückstand größer ist, aber im Slalom und im Riesenslalom reichen Marcel auch 80 oder 90 Prozent von früher für die ersten zehn.
Sie wissen, wie es ist, als Österreicher für ein anderes Land zu fahren. Auf welche medialen Reaktionen muss sich Hirscher einstellen?
Wenn ich erfolgreich war, wurde ich immer als Österreicher, der für Luxemburg fährt, bezeichnet. Wenn ich einen Mist zusammengefahren habe, war ich plötzlich nur noch der „Luxemburger“. (lacht)
Angenommen Hirscher fährt schneller als alle ÖSV-Starter…
Das wäre eine Katastrophe für den österreichischen Skiverband, das würde ich dem ÖSV nicht wünschen. Aber ich glaube nicht, dass das regelmäßig passieren wird. Der ÖSV hat um Frontmann Manuel Feller wieder ein gutes Team beieinander.
Marcel Hirscher startet als eine Art Privatteam mit eigenem Material. Was würde sein möglicher Erfolg für die Zukunft der Ski-Szene und die Wichtigkeit von Verbänden bedeuten?
Es gab immer schon Athleten, die eine Sonderbehandlung bekommen haben. Aber wenn es nur noch Privatteams geben würde, wer fördert dann den Nachwuchs und die anderen Wintersportarten? Deswegen brauchen die Verbände eine gute Vermarktung und da finde ich, wird im Moment noch nicht das volle Potenzial ausgeschöpft.
Die Vermarktung ist derzeit ein großer Streitpunkt zwischen den großen europäischen Verbänden und der FIS. Johan Eliasch, deren Präsident, will die Rechte zentralisieren. Unter anderem der DSV und der ÖSV haben dagegen geklagt und Recht bekommen.
In der aktuellen Struktur fallen die kleineren Verbände zu sehr unten durch. Ich kenne Eliasch ganz gut. Er ist reserviert, aber ein beinharter Geschäftsmann. Ich glaube, dass eine Meinung, auch wenn sie hart ist, zielführender ist, als viele verschiedenen Meinungen, wie das mit einem schwachen Präsidenten der Fall wäre.
Eliasch kann sich auch Rennen in der Wüste, in einer Skihalle vorstellen. Sie haben 2001 in Bottrop als einer der ersten eine Skihalle gebaut. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Wenn man nur die Alpen im Blick hat, wird das Skifahren auf ewig ein regionaler Sport bleiben. Aber auch in Osteuropa oder in China, Japan oder Südkorea herrscht Interesse. Dort muss man die Werbetrommel rühren, das wird noch zu stiefmütterlich behandelt. Ich weiß, dass es immer Kritik gibt, wenn der Weltcup-Zirkus für ein oder zwei Rennen nach Asien fliegt. Aber ganz ehrlich: Eine oder zwei Maschinen, das ist keine Klimakatastrophe. Im Gegensatz zum Beispiel zu den vielen Billigfliegern nach Mallorca.
Und die Skihalle?
Die Kritiker glänzen oft mit Unwissenheit, aber im Detail wissen sie gar nichts. Eine Skihalle verbraucht weniger Energie als beispielsweise ein Wellness-Center. Wir haben damals in Bottrop (Girardelli baute als einer der Ersten eine Skihalle, Anm. d. Red.) vor über 20 Jahren auch schon ein Europacup-Rennen veranstaltet. Vielleicht war ich meiner Zeit einfach ein Stück voraus.
INTERVIEW: MATHIAS MÜLLER