Die Chance war nahezu einmalig. Seit 2015 hat keine deutsche Mannschaft mehr bei Real Madrid gewonnen, im Achtelfinal-Rückspiel vor neun Jahren gelang dies zuletzt Schalke 04, das trotz eines überraschenden 4:3-Siegs im Santiago Bernabeu ausschied.
Dem BVB glückte derweil in seiner gesamten Historie noch kein Sieg in Madrid, am Dienstagabend stand er aber kurz davor: Bis zur 55. Minute führten die Dortmunder mit 2:0 und lieferten eine couragierte und mutige Auswärtsleistung ab, die mit einem Zwei-Tore-Vorsprung durch Donyell Malen und Jamie Gittens belohnt wurde. Bis, man muss es so deutlich sagen, Nuri Sahin sich dazu entschied, den Sieg auszuwechseln – indem er mit Waldemar Anton für jenen Gittens einen Defensivmann eintauschte und viel zu früh ein verheerendes Signal an sein Team sendete: Ab jetzt geht es nur noch ums Verteidigen, der Sieg soll irgendwie über die Zeit gebracht werden.
Weil diese Zeit aber knapp 40 Minuten betrug, fing sich der BVB in der Folge noch fünf Gegentreffer und wurde letztlich regelrecht abgeschossen. Mit der plötzlichen Umstellung von Mut auf Angsthasenfußball hatte Sahin entscheidenden Anteil an der Pleite. Warum er außerdem einen völlig überforderten Emre Can als Rechtsverteidiger gegen Vinicius Junior aufs Feld schickte, bleibt sein Geheimnis.
Nach der kurzen Euphorie zum Start ist die Stimmung beim BVB inzwischen gekippt. Zu inkonstant sind die Auftritte der Schwarz-Gelben in dieser Saison, zu sehr erinnern sie dabei an den Fußball unter Ex-Trainer Edin Terzic. Auf Galaleistungen in der Champions League folgen in der Liga Komplettausfälle wie beim 1:5 in Stuttgart oder das 1:2 gegen Union Berlin. Und die vereinzelten Erfolgserlebnisse gegen Bochum oder St. Pauli wurden eher glücklich erkämpft statt souverän gewonnen. Es fehlt eine klare Spielidee beim BVB, die Kritik an Sahin wird immer lauter.
Wie es geht, zeigte parallel der VfB Stuttgart. Gegen Juventus Turin setzte die Elf von Sebastian Hoeneß auf Angriffsfußball und wurde für ihren Mut mit einem späten 1:0 belohnt. Am ersten Spieltag hat der VfB übrigens auch gegen Real Madrid verloren – gut, dass er seither trotzdem bei seiner Spielidee geblieben ist und sich nicht nur noch hinten reingestellt hat.