Fehler im System?

von Redaktion

Der Kompany-Fußball ist defensiv zu anfällig – Eberl platzt der Kragen

Die Innenverteidigung mit Kim und Upamecano wurde in Barcelona vorgeführt. © IMAGO

Souverän sieht anders aus: Sportvorstand Max Eberl in der Mixed Zone nach dem Barcelona-Spiel. © Screenshot

Keine gute Laune bei Präsident Herbert Hainer, Vorstandsboss Jan-Christian Dreesen und Max Eberl. © IMAGO/Bernd Feil/M.i.S.

Die Spieler schätzen die Taktik von Vincent Kompany, doch Barcelona zeigte die Schwachstellen auf. © IMAGO

München – Mit den Fingern auf Spieler zu zeigen, das war am Mittwochabend nur bei einer Mannschaft erlaubt. Zwar hatte Hansi Flick nach dem 4:1 (3:1) gegen den FC Bayern selbst bemerkt, „dass ich heute zu viel über Einzelne“ spreche. Aber das hielt ihn nicht davon ab, eine echte Lobhymne auf seine Verteidiger um den gerade mal 17 Jahre alten Pau Cubarsi zu singen. Die, die nicht so sehr im Fokus stehen, seien manchmal die Wichtigsten, ließ der Barca-Coach verlauten. Da hörte man auf der Verliererseite doch ganz andere Worte. Zitat Max Eberl: „Nein, es hat nichts mit der Defensive zu tun. Das ist so billig, wenn wir Gegentore bekommen, das dann auf die Defensive zu schieben.“ Rumms!

In der Tat hatten Minjae Kim und Dayot Upamecano dieses dritte Champions-League-Ligaspiel nicht im Alleingang verloren. Trotzdem waren die beiden Innenverteidiger in den bitteren 90 Minuten auf dem Rasen nicht nur die Leidtragenden des anfälligen Systems, das die Bayern unter Vincent Kompany weiter durchziehen, sondern auch Haupthandlungsträger.

Barcelona zauberte, Bayern staunte

Schon der erste Treffer nach 56 Sekunden war über die weit aufgerückte Kette hinweg gefallen, später konnte man dem überragenden Raphinha nur noch staunend dabei zusehen, wie er den Rekordmeister und auch seinen Trainer regelrecht vorführte. Warnschüsse – wie etwa beim 3:3 in Frankfurt – hatte es in den vergangenen Wochen immer wieder gegeben. Das 1:4 in Barcelona aber war der letzte Beweis dafür, dass das Risiko für die Bayern in der aktuellen Form zu hoch ist. Kompanys System stößt gegen große Gegner an seine Grenzen – und trotzdem beharrten am Mittwochabend alle Beteiligten darauf, sich nicht vom eingeschlagenen Weg abbringen zu lassen.

Allen voran Eberl platzte der Kragen. „Man möchte auseinanderdividieren. Und das lassen wir nicht zu“, schimpfte der Sportvorstand. Deutlich ruhiger, aber genauso aussagekräftig, fügte Joshua Kimmich hinzu: „Der Weg, auf dem wir uns befinden, fühlt sich für uns sehr, sehr richtig an. Wir sind von der Spielweise überzeugt.“ Dass trotz tatsächlich besserer Statistiken für die Bayern am Ende der lauen spanischen Nacht eine herbe Klatsche stand, sei die Konsequenz der eigenen Fehler gewesen, ergänzte Kompany: „Wir haben heute nicht alles richtig gemacht.“ Das schnelle erste Gegentor, ein nicht geahndeter Schubser an Kim vor dem 2:1, individuelle Fehler und mangelnde Abstimmung …

Dass das nicht nur an den Verteidigern lag, stimmte allerdings. Kimmich nahm sich für seine Passivität vor dem 1:0 selbst in die Kritik, auch Raphael Guerreiro und Joao Palhinha erwischten keinen guten Tag. Dazu strahlt Manuel Neuer aktuell nicht mehr die Sicherheit vergangener Tage aus. In Summe ist das – gepaart mit dem bewusst eingegangenen Risiko – zu viel für die Kompany-Bayern im Oktober 2024. „Heute ist es schwierig, zu argumentieren“, gab Kimmich zu. Eberl stützte sich auf die Weisheit: „Du wirst nicht nur in den Siegen lernen, du wirst in den Niederlagen lernen.“

Es wird allerdings nicht reichen, in der angekündigten Analyse an der Oberfläche zu kratzen. Die Frage, die die Aufarbeitung des Barcelona-Trips zwingend begleiten muss: Waren es die Fehler im System – oder ist das System der Fehler? In welche Richtung Eberl denkt, deutete er trotz nur einer Niederlage aus den letzten fünf Spielen schon an: „Wir verteidigen das, was wir tun, weil wir davon überzeugt sind.“ Noch sprechen alle dieselbe Sprache, sogar Dreesen, der sagte: „Ich bin sicher, dass der begeisternde Fußball zu den Ergebnissen führen wird, die wir uns alle wünschen.“

Allzu viel Zeit aber bleibt nicht, um Adaptionen vorzunehmen oder gar ein Umdenken gegen große Gegner einzuleiten. Sonst sind Kim und Upamecano immer die, auf die gezeigt wird. Ganz fair ist das nicht.
HANNA RAIF

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