ZUM TAGE

Schwäche eingestehen wäre eine Stärke

von Redaktion

Die Bayern nach dem Debakel

Schon der stramme Gang von Max Eberl hatte in der Nacht zum Donnerstag in den Katakomben des Olympiastadions von Barcelona darauf schließen lassen, was passieren würde. Wie man mit jeder Faser seines Körpers im Verteidigungsmodus ist, zeigte der Sportvorstand des FC Bayern aber dann vor allem mit Worten. Sündenböcke? Nein! Ein Systemfehler? Mitnichten! Schlechte Verteidigung? „Mach einen Trainerschein!“ Hätte die Defensive der Bayern zuvor auf dem Rasen ähnlich bestimmt agiert, womöglich hätte dieses Champions-League-Ligaspiel ein anderes Ende genommen. Der Attacke-Modus der Bayern kam zu spät. Das änderte aber nichts daran, dass er tief blicken ließ.

Elf Pflichtspiele hat der Rekordmeister unter Vincent Kompany absolviert, und es ist nur logisch, dass die größten davon für eine Bestandsaufnahme herangezogen werden müssen. Da wären also ein 1:1 gegen Bayer Leverkusen, ein 0:1 gegen Aston Villa, ein denkwürdiges 3:3 gegen Frankfurt, ein richtig starkes 4:0 gegen Stuttgart – und seit Mittwoch: ein 1:4 gegen den FC Barcelona. So viel im Vorfeld dieser Partie geschrieben wurde, so schonungslos darf man auch danach auf die Horrornacht blicken. In diesen 90 Minuten neben Hansi Flick wirkte Kompany wie ein Azubi – und die Bayern nicht wie ein Titelanwärter, sondern ein Team, dessen Köpfe noch zu langsam für eine auf dem Papier geniale Spielidee sind.

Dass Eberl das nicht zugeben kann, liegt auf der Hand. Denn der Trainer, der zwar die Herzen im Sturm erobert, die Stimmung verbessert und eine klare Spielphilosophie vermittelt hat, ist unmittelbar mit dem Sportvorstand verknüpft. Es ist inzwischen kein Geheimnis mehr, dass Flick nur an der Barca-Seitenlinie steht, weil Eberl alles auf die Karte Kompany setzte. Ein mutiger Schritt, der Rückgrat erfordert hat, von Beginn an aber riskant war. Noch ist keine echte Trainerdiskussion entfacht, aber die Lautstärke der Fragen nimmt zu.

Auch Eberl kann – nein, darf – sie nicht überhören. Und das prominent angekündigte „Learning“ muss auch Selbstkritik beinhalten. Zu übersehen, dass dem Kader ein echter Abwehrchef fehlt, dass Manuel Neuer nicht mehr unantastbar ist und Spitzenmannschaften im 1:1 oft überlegen sind, wäre fatal. Noch ist es nicht zu spät, Anpassungen vorzunehmen – sich Schwäche einzugestehen, kann durchaus Stärke sein. Aber flapsige Rückfragen zu stellen, ist nicht das beste Mittel der Wahl.

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