Kahn bei der DKOU-Talkrunde in Berlin. © DKOU
München – Fehlstart in der Champions League, Platz 23 in der Tabelle, direkte Qualifikation fürs Achtelfinale in Gefahr. Bei Max Eberl lagen am Mittwoch in Barcelona die Nerven blank. Einen kritischen Reporter blaffte der Sportvorstand des FC Bayern nach dem heftigen 1:4 mit den Worten an: „Mach einen Trainerschein.“
Auch Oliver Kahn musste sich im Laufe seiner erfolgreichen Karriere regelmäßig kritischen Fragen stellen. Vor allem auf seine Leistung beim 0:2 im WM-Finale 2002 gegen Brasilien wird der frühere Torwart und Kapitän der deutschen Nationalmannschaft immer wieder angesprochen.
Wie der 55-Jährige gelernt hat, mit bitteren Niederlagen umzugehen, verriet er nun beim Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU), der von 22. bis 25. Oktober in Berlin stattfand. Worte, die den Bayern um Boss Eberl Zuversicht für die weiteren Aufgaben der Saison machen könnten.
„Ich sage immer: Die Dinge passieren uns. Aber passieren kommt von Passage. Das heißt, es passiert, es geht an uns irgendwo ja auch vorbei. Nur: Soll ich mich damit identifizieren, mit dem, was mir da passiert ist? Bin das ich, was da passiert ist? Es ist mir passiert, ja. Aber auf dem Platz stehen noch zehn andere. Die hätten ja auch noch fünf Tore schießen können, dann hätten wir dieses Finale ja auch gewinnen können“, erklärte Kahn, der bis Mai 2023 CEO des FC Bayern war.
Man müsse sich natürlich mit Pleiten auseinandersetzen, aber: „Aufpassen! Ich höre dann immer: Wir müssen jetzt so viel lernen aus dem Rückschlag und aus der Niederlage. Ich habe immer gefragt: Leute, was soll ich lernen aus dem Schuss von Cafu?“, erzählte Kahn launisch mit Blick auf den Ball, den er vor 22 Jahren im Endspiel Ronaldo zum 1:0 Brasiliens vor die Füße abwehrte. „Ja, ich hätte ihn festhalten müssen. Dann sage ich immer: Wow. Ganz fette Erkenntnis!“
Dieser Moment gehöre zu seinem Leben. „Das ist damals passiert. Es ist einfach vorbei. Ich lebe heute damit auch keinen Millimeter schlechter, wie wenn mir das nicht passiert wäre. Wären wir dann Weltmeister geworden? Keiner weiß es“, betonte Kahn. „Deswegen macht es keinen Sinn, sich zu arg in etwas reinzubohren und nochmal zu analysieren. Was kann ich besser machen? Shit happens, kann man sich auch manchmal sagen. Und dann geht es einfach weiter.“
Eberl wiederum ordnete das 1:4 in Barcelona als „Learning“ ein. Auch Coach Vincent Kompany wolle ganz schnell aus dem Abend lernen. Aussagen, die sich nach Rückschlägen der Bayern wiederholen. Allerdings: Richtig gelernt haben sie daraus noch nicht. Immer wieder erweist sich die riskante Taktik inklusive hohen Verteidigens als anfällig.
Klar ist: Die Münchner stehen nun massiv unter Druck. Auch für solche Momente hatte Kahn bei der Talkrunde „Mentale Stärke und Resilienz in Extremsituationen“ Ratschläge parat. „Um mich auf Spiele vorzubereiten, hatte ich immer ganz klare Routinen: Mein Tagesablauf war immer exakt auf die Sekunde durchgetaktet am Spieltag“, schilderte der Champions-League-Sieger von 2001 und Europameister von 1996. „Ich habe das Gehirn immer programmiert, auf das, was jetzt kommt. Und wenn die Routine immer die gleiche ist, dann spürst du diese Nervosität, den Druck nicht so. Routinen für sich selbst zu entwickeln, ist extrem wichtig. Bevor ich dann auf den Platz bin, habe ich häufig im Hotel Visualisierungsübungen gemacht. Ich habe mir vorgestellt, wie das Spiel laufen wird. Das alles hilft, den Körper und den Geist darauf vorzubereiten.“
Die nächsten Gegner der Bayern sind jedenfalls keine große Brocken: Nach dem Spiel am Sonntag (15.30 Uhr) in Bochum wartet Mainz am Mittwoch (20.45 Uhr) in der 2. Runde des DFB-Pokals. Kahns Tipps könnten helfen, schnellstmöglich in die Erfolgsspur zurückzufinden.
P. KESSLER, M. BONKE