Fahrig: Manuel Neuer wirkte gegen Barcelona nicht auf der Höhe. © IMAGO
Mit ungewohnten Patzern: Manuel Neuer. © IMAGO
München – Auch die renommiertesten Karrieren neigen sich irgendwann dem Ende zu. „Leave the football, before the football leaves you (deutsch: Höre mit dem Fußballspielen auf, bevor dich die fußballerische Klasse verlässt)“, lautet ein berühmter Spruch, den der Ex-Liverpool-Spieler Jamie Carragher einst über den alternden Cristiano Ronaldo sagte.
In den letzten Tagen wurde genau diese Audiospur, in der der heutige TV-Experte erklärt, dass große Spieler den richtigen Moment für ihr Karriereende finden müssen, um sie nicht mit altersbedingten Fehlern zu zerstören, von zahlreichen Bayernfans über Videos von Manuel Neuer gelegt. Darin zu sehen: Neuer, wie er beim zweiten Gegentor in Barcelona zu spät aus dem Tor eilt. Neuer, der aus vier Torschüssen gegen die Katalanen vier Gegentore kassiert. Und Szenen von Neuer, wie er in den vergangenen Jahren mit Weltklasseparaden auch die „unhaltbaren“ Schüsse gehalten hat – in dieser Spielzeit ließ er jedoch über die Hälfte aller Abschlüsse an sich vorbeiziehen (14 von 20 Schüssen gingen ins Tor).
Genau darin liegt aktuell das Problem: Neuers Leistungen sind nicht annähernd so gut wie in den vergangenen Jahren. In der Bundesliga hat er sich zwar keine gravierenden Fehler geleistet, konnte sich in wichtigen Spielen wie gegen Eintracht Frankfurt aber auch nicht auszeichnen und musste allein dort dreimal hinter sich greifen. Auf höherem Niveau patzte Neuer dagegen mehrfach: Beim 0:1 gegen Aston Villa wurde er überlupft, gegen Barcas Lamine Yamal hatte er Glück, dass ein Ballverlust vor dem eigenen Tor nicht bestraft wurde.
Internationale Medien wurden deshalb deutlich: „Manuel Neuer, was stimmt nicht mit dir?!“, schrieb das britische Portal „Goal“. Der Torwart sei von der Weltklasse in die „Katastrophen-Klasse“ abgerutscht. „Ich will Manuel nichts Böses, aber er ist im Moment nicht der Rückhalt für die Mannschaft, wie er es in der Vergangenheit war. Manuel Neuer ist gerade nicht Manuel Neuer. Denn er hält nicht die unhaltbaren Bälle, sein Torwartspiel hat sich verändert“, sagte Lothar Matthäus
Trotzdem – oder um ihm nach außen hin den Rücken zu stärken – bleibt Kritik vonseiten des Rekordmeisters aus. Eben weil der Torwart in den vergangenen Jahren so überragend hielt, genießt er innerhalb des Vereins großes Ansehen. Weder Max Eberl noch Vincent Kompany wollten sich nach den Spielen gegen Aston Villa und Barcelona über die Leistung des Keepers äußern. Neuer selbst betonte am Mittwochabend lediglich: „Barça spielt risikoreich, wir spielen risikoreich, da können diese Dinge passieren.“
Die Bosse stehen damit vor einer schweren Entscheidung. Eine Vertragsverlängerung über den bis 2025 laufenden Vertrag hinaus galt eigentlich als Formsache. Ob der FCB aber auch in der nächsten Saison auf Neuer setzt, der zum Ende der Spielzeit 25/26 dann bereits 40 Jahre alt wäre, werden sich die Verantwortlichen aber genau überlegen.
Schließlich steht mit Alexander Nübel (bis 2026 an den VfB Stuttgart verliehen) ein designierter Nachfolger bereit, dessen Leihe per Option auch ein Jahr vorher beendet werden könnte.
Dazu muss es laut Roman Weidenfeller aber nicht kommen. Der ehemalige Nationaltorhüter sei „irritiert über die Kritik“, sagte er bei Sky. Auch wenn Neuer gegen Barcelona vier Gegentore bei vier Torschüssen bekommen habe, sei bekannt, „welche Qualitäten Manuel Neuer über all die Jahre bewiesen hat“. Seine Erklärung: „Es ist logisch, dass die Reaktionsfähigkeit und vielleicht auch das Leistungsvermögen ein bisschen abnimmt, aber da reden wir immer noch über einen international total erfahrenen Weltklasse-Torwart.“
Die Frage, die man sich nun beim FC Bayern stellen muss, lautet: Reicht das, um in diesem Jahr nach allen Titeln zu greifen?
V. TSCHIRPKE, M. BONKE