Kriegt 1860 mit ihm die Kurve? Der glücklose Trainer Argirios Giannikis. © IMAGO
München – Am Tag danach war alles wie immer. Spiel-Ersatztraining für die 1860-Profis, die nicht (oder wenig) beim 1:5-Debakel in Cottbus zum Einsatz gekommen sind; die Startspieler treten an solchen Tagen kürzer. Um 10.30 Uhr war das öffentliche Training angesetzt. Erst mal ging‘s aber in die Kabine, wo im Beisein von Sportchef Christian Werner die Aufarbeitung begann. Bereits nach dem Spiel am Sonntag hatte Argirios Giannikis bei MagentaSport angekündigt: „Wir müssen jeden Stein umdrehen.“
Dieser Meinung schließt sich auch der Sportchef an – mit einer entscheidenden Einschränkung. Der Trainer-Stein wird zum Missfallen vieler Fans nicht umgedreht, nicht mal sanft angelupft. Angesprochen auf den Umgang mit der Katastrophenwoche (zwei von neun möglichen Punkten, 5:13 Tore) sagte Werner zu unserer Zeitung: „Das Auftreten allein dem Trainer anzulasten, wäre unfair. Jeder von uns hat seine Aktien drin. Es wird eine ehrliche und schonungslose Aufarbeitung geben. Es ist nicht akzeptabel, dass unsere Fans 1000 Kilometer weit fahren und dann so eine Leistung geboten bekommen. Die Zeit der Ausreden ist vorbei!“
Vor diesem Hintergrund war es also kein Wunder, dass auch Giannikis nach der Aussprache in der Kabine den Rasen betrat. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird der in die Kritik geratene Coach auch am Samstag beim Auswärtsspiel in Sandhausen auf der Trainerbank sitzen. Auch die Tatsache, dass Werner am Montag Besuch von Karl-Christian Bay empfing, der in allen wichtigen Gremien sitzt, hatte dem Vernehmen nach nichts mit der sportlichen Krise zu tun. Eher vermutlich mit einer Finanzierungsfrage, die Saison 2025/26 betreffend. Bis Donnerstag (31. Oktober), so will es der DFB, müssen die Löwen nachweisen, auch in der kommenden Spielzeit liquide zu sein. Beide Gesellschafterseiten sind da gefordert. Die e.V.-Seite muss Geld fürs NLZ zur Verfügung stellen, die HAM-Seite für mehr als zwei Millionen Euro bürgen. Auch was das betrifft also: Alles wie immer. Und trotzdem. Der Unmut im Umfeld des Vereins und bei den Fans wächst. Weil viele den Eindruck haben, dass es tatenlos hingenommen wird, wie sich die sportlichen Ambitionen immer weiter pulverisieren.
„Noch nicht beängstigend“ findet Torschütze Morris Schröter die sportliche Entwicklung. Eine Einschätzung, die nahelegt, dass nicht alle den Ernst der Lage begriffen haben. Mangelnde Selbstkritik ist auch einer der Punkte, die Werner der Mannschaft vorwirft. Eine Mannschaft, die immer mehr die Balance verliert. Meistens spielt sie nur eine Halbzeit gut, selten trifft sie in beiden Mannschaftsteilen stabil auf. Stürmt sie lustvoll nach vorne wie in Cottbus, ist hinten Polen offen. Nie zuvor in der 3. Liga hatten die Löwen nach zwölf Spieltagen 24 Gegentore kassiert, zwei pro Spiel im Schnitt. Dazu kommen die anderen Symptome einer schweren Krise: zweitschlechteste Heimelf, schon sechs Niederlagen, zwei besonders klägliche bei Aufsteigern (zuvor 1:3 gegen Stuttgart II). Liegt es nicht an der Klasse, wie Schröter wohl vermutet, dann muss zumindest die Einstellung einiger Spieler hinterfragt werden. Leroy Kwadwo lässt grüßen. Bereits beim 2:3 gegen Dresden hatte der Linksverteidiger einen rabenschwarzen Tag erwischt, danach Besserung gelobt – um sich am Sonntag gleich die nächste 6 vom benotenden Boulevard einzuhandeln.
Spieler wie Kwadwo dürften der von Werner angekündigten Knallhart-Analye zum Opfer fallen. Giannikis hingegen bleibt. Sandhausen, so viel scheint sicher, dürfte jedoch auch für ihn ein wegweisendes Spiel werden.
ULI KELLNER