Ist Alexander Zverev ein guter Tennisspieler? Definitiv. Vielleicht sogar ein sehr guter? Auch das. Schließlich gewinnt nicht jeder ein Masters, so wie Zverev am Sonntag in Paris. Vor allem kein Deutscher. Letzter DTB-Champion in Frankreichs Hauptstadt war 1986 nämlich ein gewisser Boris Becker – schon ein paar Jährchen her. Für den 27-jährigen Zverev war es der siebte Triumph in der 1000er-Turnierkategorie, der zweithöchsten auf der ATP-Tour. Auch das mehr als respektabel. Doch beim zweiten Blick liegt für den Hamburger genau da das Problem. Denn ins oberste Trophäenregal, dort, wo die Grand-Slam-Pokale liegen, konnte der zweifellos hoch Talentierte auch in diesem Jahr nicht greifen. Dabei hat Zverev mit bisher 66 Match-Erfolgen eine unglaublich konstante Saison gespielt. Folgerichtig reist er auch als Nummer zwei der Welt (7715 Punkte) zum Saisonfinale nach Turin in gut einer Woche. Aber auch hier gilt: Die Nummer eins, der Italiener Jannik Sinner (11.330 Punkt), ist nicht annähernd in Reichweite.
Eine Analyse durch die typisch deutsche Nörgel-Brille – könnte man einwenden. Aber sie orientiert sich an Zverevs eigenen Maßstäben. Und das ist ein Grand-Slam-Sieg und der Weltranglistenthron. Zverev hat dafür nach wie vor alle Möglichkeiten. Er kann es aus eigener Kraft schaffen. Und, auch das muss man zur Ehrenrettung vor allem seiner frühen Jahre sagen: die Zeit, in der die Über-Spieler Federer, Nadal und Djokovic alles dominiert haben, ist vorbei. Dass der Olympiasieger von Tokio in einem Match, vor allem über zwei Gewinnsätze, jeden besiegen kann, hat er gezeigt. Nur nicht zwei Wochen lang während eines Grand Slams (drei Gewinnsätze). In Paris war das gar nicht nötig. Tallon Griekspoor (Nr. 41), Arthur Fils (Nr. 20), Stefanos Tsitsipas (Nr. 12), Holger Rune (Nr. 11), Ugo Humbert (Nr. 14) lauteten seine Kontrahenten. Ein Mann aus den Top Ten war also nicht dabei.
Holt Zverev in den kommenden Jahren noch zum großen Schlag aus, dann hebt er sich damit von seinen Vorgängern ab. Andernfalls eher nicht, zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung, denn auch Tommy Haas (Nr. 2 der Welt), Nicolas Kiefer (Nr. 4) und Rainer Schüttler (Nr. 5) erreichten in der Weltrangliste Topplatzierungen. Doch auch hier lohnt ein zweiter Blick hinter diese Zahlen, diesmal zu Zverevs Gunsten. Mit 23 Turniersiegen hat er schon jetzt fast so viele wie das genannte Trio (25) zusammen.