Der Rekordmeister um Thomas Müller gewann zuletzt zweimal in Folge mit 1:0. © IMAGO
Die Bayern bildeten nach dem Sieg gegen St. Pauli einen Kreis. © IMAGO
Hamburg – Die 1:4-Klatsche gegen den FC Barcelona ist zwar erst knapp drei Wochen her, trotzdem hat sich beim FC Bayern seitdem einiges getan. Die deutliche Pleite hatte damals schließlich alle Schwächen aufgezeigt, die es im bisherigen System von Trainer Vincent Kompany gab: Mit viel zu viel Freiräumen konnten die Katalanen hinter Bayerns Abwehrkette stoßen und sich quasi nach Belieben Chancen erspielen, meistens reichte dafür schlicht ein langer Ball. Schonungslos wurde in dieser Partie deutlich, was sich zuvor schon gegen Aston Villa (0:1) und Eintracht Frankfurt (3:3) angedeutet hatte: Mit einer zu offensiven Spielweise, die für den neutralen Zuschauer zwar stets für beste Unterhaltung sorgt, dabei aber extrem riskant ist, lassen sich auf Top-Niveau keine Titel gewinnen.
Bayerns Reaktion darauf war deutlich. Alle fünf Spiele seit der Klatsche hat der Rekordmeister gewonnen, das 1:0 (1:0) gegen St. Pauli am Samstag war zudem sogar das fünfte Spiel in Folge ohne Gegentor. Kompanys neuer Titelplan lautet: Kontrolle statt Kamikaze-Fußball!
„Wir sind diszipliniert aufgetreten“, sagte der Trainer nach dem Arbeitssieg gegen den Aufsteiger, bei dem sein FC Bayern zwar nicht glänzte, der Sieg aber zu keiner Zeit gefährdet war. „Wir dürfen nicht vergessen, wie viele Spiele wir gemacht haben. Für uns war es einfach wichtig, dass wir die Punkte holen und die Stabilität im Spiel halten.“ Der Trainer spielte damit auf die enge Taktung an, in der der Rekordmeister in letzten Wochen angetreten ist. Noch am Mittwochabend spielten die Münchner zu Hause gegen Benfica Lissabon (1:0), am Samstag folgte das Auswärtsspiel beim Kiez-Club. Dabei hatten die Münchner zwar erneut wenig spielerische Glanzmomente, Jamal Musiala traf per Distanzschuss zum Siegtreffer. Trotzdem lernt seine Mannschaft aktuell, dass für Titel wie die Meisterschaft und vor allem die Champions League auch knappe Siege wichtig sind – und Vorsprünge lieber über die Zeit gebracht, anstatt ausgebaut werden.
„Es muss nicht immer eine Kür sein“, sagte auch Mittelfeldstratege Joshua Kimmich über die neue Herangehensweise. Durch den Sieg hielt sein Team nicht nur zum ersten Mal seit fast sechs Jahren in vier Ligaspielen in Folge die Null (zuletzt im Dezember 2018), sie nimmt außerdem vollen Kurs auf die Meisterschaft: Durch das 0:0 im Abendspiel zwischen Leipzig und Gladbach hat der FCB an der Tabellenspitze bereits fünf Punkte Vorsprung. „Es ist für uns wichtig zu erkennen, dass ein 1:0 auch reicht.“ Sportdirektor Christoph Freund ergänzte: „Wir hatten intensive Wochen. Es war nicht einfach, aber wir haben die Partie kontrolliert und nichts zugelassen, auch wenn wir uns nicht so viele Chancen herausgespielt haben.“ Und auch FCB-Patron Uli Hoeneß freute sich am Sonntag im „Kicker“: „Besser geht‘s nicht!“
Ein weiterer wichtiger Faktor ist der Teamgeist. Nachdem es wegen individueller Fehler zuletzt Kritik an einzelnen Leistungsträgern wie Manuel Neuer, Minjae Kim oder Dayot Upamecano gab, will die Mannschaft für den Titelkampf noch enger zusammenrücken. Gegen St. Pauli tat sie das wortwörtlich – und bildete erstmal in dieser Saison einen Kreis nach Abpfiff. „Selbst die Spieler beim FC Bayern haben menschliche Züge und freuen sich über eine Siegesserie zu null. Das fühlt sich gut an und spürt jeder Spieler“, sagte Thomas Müller, der die Aktion organisierte. „Deshalb habe ich den Kreis zusammengetrommelt. Die Chemie in der Truppe ist gut. Ich war schon immer ein Freund davon, dass der Teamgeist über die gemeinsame Spielweise kommt.“
VINZENT TSCHIRPKE