ZUM TAGE

Das Problem mit der Unantastbarkeit

von Redaktion

Die ewige Torwartfrage

Darüber, wie Sepp Maier bei der täglichen Zeitungslektüre denkt, kann man nur spekulieren. Aber es wäre nur logisch, wenn sich der Mann, der zwischen 1966 und 1979 das Tor des FC Bayern hütete, fragen würde, wo denn überhaupt das Problem liegt. Bei ihm ist es seinerzeit doch auch gut gegangen, 442 Spiele hintereinander – und niemand hat auch nur im Entferntesten daran gedacht, ihn von dort verdrängen zu können.

Ach ja, früher war alles einfacher, nicht so viel Drama, nicht so viele Diskussionen: Der simple Reflex bietet sich an, wird der Komplexität der neuen Fußballwelt aber nicht immer gerecht. Was gleich geblieben ist: dass jeder Torhüter spielen will, aber nur einer spielen kann. Was anders geworden ist: die Breite an guten Keepern. Dass sie in einem sogenannten „Jobsharing“ enden kann wie aktuell im Kreise der deutschen Nationalmannschaft, ist der Optimalfall, der mit Typen wie Oliver Baumann, Alexander Nübel und Stefan Ortega gerade möglich ist. Es wird aber wieder anders aussehen, wenn Marc-Andre ter Stegen sich zurückgekämpft hat. Dann hat man eine klare Nummer eins – und hintendran mindestens einen ambitionierten Herausforderer. Eine Situation, die auch in diversen Topclubs vorherrscht.

In München spitzt sie sich nun langsam zu, wo das Karriereende von Manuel Neuer immer näher rückt. Der Weltmeister ist zweifellos auch mit 38 noch zu Weltklasseleistungen imstande, die Frage nach der Hierarchie im Bayern-Tor aber wird immer lauter werden, je mehr Jahre Neuer an seine grandiose Karriere noch dranhängen will. An Oliver Kahn bissen sich einst Uwe Gospodarek, Stefan Wessels, Bernd Dreher, Sven Scheuer und Michael Rensing die Zähne aus, im Fall von Neuer waren und sind es Yann Sommer, Daniel Peretz und Nübel. Einen loyalen Sven Ulreich in der Hinterhand zu haben, wird allerdings nicht reichen, um den Verein auch auf dem Posten eines über mehr als ein Jahrzehnt Überragenden für die Zukunft zu rüsten.

Es muss Perspektiven geben für diejenigen, die die zweifellos großen Handschuh-Abdrücke von Neuer füllen sollen. Ein festes Datum für Neuers Karriereende – wie von Kahn vorgeschlagen – ist kein schlechter Ansatz. Wie das Problem mit der Unantastbarkeit nicht gut gelöst wird, hat übrigens der Fall von Robert Lewandowski gezeigt. Nach seinem Abgang klaffte im Sturm eine nicht zu stopfende Lücke. Auch wenn weder Maier noch Neuer es zugeben würden: Torhüter und Stürmer ticken ähnlich.

Artikel 1 von 11