Man kennt und schätzt sich: Kahn und Neuer. © Imago
München – Ganz am Schluss, quasi auf der Zielgeraden seiner Karriere, verpasste Oliver Kahn tatsächlich ein Spiel. Es war Dezember im Jahr 2007, das Karriereende im Sommer 2008 war beschlossene Sache, da wurde der Keeper des FC Bayern nach harscher Kritik an Franck Ribery und Luca Toni suspendiert. Im Spiel gegen Hertha BSC (0:0) durfte Michael Rensing ran, ansonsten aber schaute der designierte Nachfolger von Kahn auch in der letzten Spielzeit des Titans in die Röhre. Wenn Kahn fit war, spielte Kahn. Bis zum bitteren Ende. Heute sagt der 55-Jährige über diese Zeit: „Jeder wusste, was Sache ist.“
Diese Worte sind am Mittwoch in der „Sport Bild“ veröffentlicht worden – und es gab freilich einen Grund, warum die letzten Jahre der aktiven Kahn-Vita aktuell Gesprächsthema sind. Auch Manuel Neuer ist bekanntlich nicht mehr der Allerjüngste, der Vertrag des 38-Jährigen läuft – Stand jetzt – im kommenden Sommer aus. Anders als seinerzeit Kahn aber hat sich der Weltmeister von 2014 kein festes Enddatum gesetzt. Auch wenn sich die Bayern-Bosse um den alten und neuen CEO Jan-Christian Dreesen die zwischen unsicher und Weltklasse schwankenden Leistungen von Neuer in den vergangenen Wochen genau angesehen haben, geht man intern von einer weiteren Verlängerung aus. Heißt: Karriereende 2026. Frühestens.
Der zuletzt wieder starke Neuer beteuert, sich von Kritik von außen nicht leiten zu lassen. Aber Kahn meint zu wissen, wie sich der Bayern-Kapitän aktuell fühlt. Auch er nämlich sei nach seinem Rücktritt aus dem DFB-Team „in ein Loch“ gefallen und habe sich gefragt: „Was ist jetzt noch das Ziel, was wann ich noch erreichen?“ Daher wundere es den ehemaligen CEO des FC Bayern auch nicht, „dass Manuel in dieser Saison noch nicht in jedem Spiel die Leistungen zeigt, die wir von ihm gewohnt sind“. Bei den Niederlagen gegen Aston Villa und den FC Barcelona war Neuer nicht ganz unschuldig. Dafür hielt er etwa gegen Union Berlin den Sieg fest.
Auch Kahn sieht, was offensichtlich ist: „Manu ist immer noch in der Lage, seine Weltklasse abzurufen.“ Die Herausforderung aber sei die Konstanz. Der Rat des Titans: „Er muss für sich selbst ein Ziel definieren.“ Er selbst habe aus dem „klar definierten Ende“ Motivation ziehen können: „Bis dahin wollte ich viel gewinnen und auf einem hohen und würdigen Niveau aussteigen. Keiner will am Ende der Karriere aus dem Stadion gepfiffen werden.“
Man kann sich nicht vorstellen, dass das bei Neuer passieren würde. Aber es ist nur logisch, dass die Situation auch für die Verantwortlichen keine leichte ist. In Alexander Nübel ist ein designierter Nachfolger gefunden und bis 2026 an den VfB Stuttgart verliehen. Man hält sich aber ganz bewusst die vertraglich verankerte Option offen, den Nationalkeeper auch schon im kommenden Sommer zurück an die Säbener Straße zu holen. Verzwickter ist die Lage von Daniel Peretz. Intern hält man große Stücke auf den sogar bis 2028 gebundenen Israeli. Auf dem Papier aber stehen drei Einsätze seit 2023.
Neuers Anspruch ist klar. Ist er fit, ist er gesetzt – über das optimale Datum für ein Karriereende möchte er immer wieder selbst entscheiden. Kahn allerdings hat einen gut gemeinten Tipp: „Falls es dem FC Bayern gelingen sollte, im Mai 2025 in München die Champions League zu gewinnen, wäre das ein perfekter Zeitpunkt.“
H. RAIF, P. KESSLER, V. TSCHIRPKE